Mittwoch, 23. Januar 2008

Aufgelesen.. # 4

Der Mensch Josef Hickersberger ist mir sympathisch. Er ist jemand, der über einen guten Humor verfügt und eine umgängliche Art hat, jemand, mit dem ich durchaus gerne auf ein Bier gehen würde. Er ist aber niemand, dem ich meine Nationalmannschaft anvertrauen würde, wenn ich denn eine anzuvertrauen hätte. Schon gar nicht, wenn es die österreichische wäre, dieses schwer dahinsiechende Pflänzchen.

Woran es bei der rot-weiß-roten Auswahl derzeit (auch) krankt, bzw. an wem, das offenbart wieder einmal schonungslos ein Interview, das unser Teamchef gegeben hat, diesmal einem der Vorschau auf die Euro 2008 gewidmedeten Printprodukt.

Hickersberger zur (sehr schlechten) Länderspielbilanz 2007:

Natürlich bin ich mit den Resultaten nicht zufrieden, es ist eine schlechte Bilanz. Das Abwehrverhalten klappte im Großen und Ganzen. Das kann man als Trainer ja eher beeinflussen als die individuelle Klasse eines Stürmers..
Hier zeigt sich Hickersberger als unseliger Zwilling seines Präsidenten, dessen dumpfes Roland Linz-bashing anlässlich einer völlig verkorksten Partie uns noch gut in Erinnerung ist. Keiner verlangt von den beiden, dass sie eigene Fehler öffentlich bekennen. Aber, dass hier mit schöner Regelmäßigkeit die eigene Weste auf Kosten derer, die es letztendlich richten sollen (hier, konkret: der Stürmer), weißgewaschen wird, ist unterträglich. Teambuilding und Mitarbeitermotivation sehen anders aus!

Hickersberger über die (berechtigte) öffentliche Kritik an seiner Person und der Nationalmannschaft:

Das Wunschdenken bei den Fußballfans ist eben sehr ausgeprägt, sie wollen, dass die Bundesliga-Klubs im Europacup mitspielen, manche erwarten, dass Salzburg die Champions League gewinnt und Rapid den UEFA-Pokal...Da fehlt der Realitätssinn, was die Leistungsstärke der heimischen Liga und Spieler betrifft.

Der österreichische Teamchef ist es, dem hier offensichtlich der Realitätssinn abhanden gekommen ist. Keiner kann ernsthaft behaupten, die österreichischen Fußballfans erwarteten wirklich Champions League-Siege oder Europameistertitel. Alles was sie erwarten, ist ein ehrliches Bemühen ihrer Mannschaften und das Gefühl zu bekommen, dass die vorhandenen Potentiale auch wirklich genutzt werden. Als Salzburg und Sturm (hervorragend gecoacht von Baric und Osim) dazumals im Europacup reüssierten, genügten bereits wenige gut durchgekämpfte Partien um eine regelrechte Fußballeuphorie loszutreten. Es mag sein, dass das österreichische Fußballvolk zu einer leicht manisch-depressiven Haltung gegenüber seiner Nationalelf neigt, indem schnell in den Himmel gehoben und dann wieder in den Boden verdammt wird. Das bedeutet aber keineswegs, dass der Nationaltrainer mit überzogenen Erwartungen konfrontiert wäre, eher im Gegenteil. Niemand im Lande fordert den Europameistertitel, dafür sind die Ansprüche viel zu gering.

Allerdings spricht aus den Worten Hickersbergers nicht nur, dass es ihm an eben jenen Ansprüche selbst genauso mangelt, sondern auch, schlimmer noch, seine tiefe Mißachtung gegenüber dem ihm zur Verfügung stehenden Spielermaterial. Dieses wird, wie schon zuvor festgestellt, von seiner Seite permanent abgewertet und mithin demoralisiert. Dieser Teamchef stellt sich nicht schützend und motivierend vor seine Mannschaft, er ist immerzu nur darum bemüht, schon im vorhinein Ausflüchte für das von ihm selbst erwartete Scheitern zu finden. Und er findet sie auf eine Weise, in der er seinen Spielern zugleich signalisiert, dass er überhaupt nicht an sie glaubt. So und nicht anders ist das zu interpretieren, wenn Hickersberger (wie auch Stickler oder Ruttenstorfer) vor wichtigen Testspielen Statements abgibt à la "ein 0:0 ist schon ein großer Erfolg" oder "der Gegner ist sehr, sehr stark und es wird sehr, sehr schwer". Aus diesem Grund wird andauernd der Gegner stark, die eigene Mannschaft aber schwach geredet. Auf diese Weise manövriert der Trainer sich in einer teuflischen Kreisbewegung von Versagensangst zu Zweckpessimismus, zu vorauseilender Exkulpierung, zu Demotivation und zur Versagensangst zurück immer tiefer in den Sumpf seiner selbsterfüllenden Prophezeiung hinein. Das Trauma von Landskrona, wohl die Ursache für diesen Zustand, muss tief sitzen. Teambuilding und Mitarbeitermotivation sehen anders aus.

Bleibt aus fußballösterreichischer Sicht zu hoffen, dass die rot-weiß-roten Kicker eine Euphorie jenseits von Hickersberger finden. Eine Heim-EM bietet zumindest eine Chance dafür.



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