Donnerstag, 24. Januar 2008

Lektürismus - Reisen durch die Welt des Bücherregals # 1


Es muss was geben - Die Anfänge der alternativen Musikszene in Linz
von Andreas Kump, publication PN°1 Bibliothek der Provinz, 300 S.


Ich gebe zu, hier kann ich nicht wirklich objektiv sein. In diesem Buch geht es einerseits um Linz, eine Stadt, zu der ich gewisse heimatliche Gefühle hege, andererseits um Musik und deren ProtagonistInnen in den Szenen der Jugendkulturen und der Kulturschaffenden. Vom Thematischen her musste mich dieses Buch faszinieren.

Trotzdem war ich anfangs etwas skeptisch. Das Werk des Shy-Sängers Andreas Kump über das stetige Werden, Sein und Vergehen alternativer Musik und ihres Nährbodens in Linz im Zeitraum 1977-1995 ist im so genannten Cut-Up-Statement-Stil gehalten, bei dem schlicht Aussagen von Zeitzeugen aneinandergereiht werden, ohne dass der Autor eigenen Text (mit Ausnahme einiger knapper Fußnoten) beisteuert, vergleichbar jenen Dokumentarfilmen, in denen gänzlich auf einen Off-Sprecher verzichtet wird. Schon nach kurzer Lektüre war mir aber klar, dass dieses Konzept hier funktioniert. Die Statements der überschaubar bleibenden Zahl der ProtagonistInnen sind geschickt ausgewählt, gereiht und inhaltlich-thematisch verknüpft und es entsteht geradezu eine Art Flow, wie in einem guten Gespräch. Interessant auch, wenn gelegentlich Widersprüche zwischen den Aussagen einzelner Personen auftreten und einem damit die Relativität subjektiver Erinnerungen vor Augen geführt wird.

Divergierende Aussagen findet man in dem Buch auch zu der Frage, warum Linz in den letzten Jahrzehnten ein derart gutes Substrat für alternative Musik und vitale Jugendkulturen gewesen ist. Die Erklärungsversuche reichen von der angeblichen tristen Fadesse der Industrie- und Chemiestadt Linz (analog dem "was sollen sie denn in Skandinavien machen, außer Musik?"), über das gänzliche Fehlen einer hochkulturellen Vorbelastung, zu der Prägung der Stadt durch Technik und Techniker sowie einige KunsthochschülerInnen anstatt durch Geistes- und Kulturwissenschaftler, bis zu den spezifischen, engmaschigen Netzen der Linzer Musik- und Kulturszene. Die Antwort bringt vermutlich eine Zusammenschau dieser verschiedenen Perspektiven.

Es ist für den unbedarften Leser jedenfalls erstaunlich zu erfahren, welche Vitalität sich die Linzer Musik- und Jugendkulturszene in den letzten Jahrzehnten bewahrt hat, beginnend mit jener Mischung aus übriggebliebenen Hippies, frühen Punks und Musikfreaks, die sich Ende der 70er Jahre ein Lokal als Ort für Veranstaltungen und Selbstinszenierung eroberten, das heute nicht mehr wiederzuerkennen ist: das Café Landgraf in der Rudolfstraße. Dort brodelte mit Bands wie Willi Warma oder Miss Molly´s Favourites die Subkultur und dort wurde der Grundstein gelegt für eine Szene, die bald österreichweit (und bis nach Passau, natürlich) einen gewissen Kultstatus erlangte. Weitere im Buch geschilderte Etappen dieser Entwicklung waren neben mittlerweile vergessenen Locations wie dem E-Schmid oder dem Badcafé die Stadtwerkstatt, ein von Kunstschaffenden besetztes Haus, und die kapu, eine von Punks Schritt für Schritt übernommene SJ-Einrichtung. Diese sind auch heute noch, allen Widrigkeiten des Kulturvereinslebens zum Trotz, Garanten für das Weiterleben einer alternativen Musikkultur in Oberösterreichs Hauptstadt.




Attwenger (Stadtwerkstatt) & Texta (Kapu)- (so schnö kaust gor net) schaun
(gedreht in der ehemaligen Derflinger-Filiale zwischen Taubenmarkt und Hauptplatz, für Linzer besonders interessant, schaut, ob ihr zufällig jemanden erkennt.. ;) )


Nirvana@kapu, 20.11.1989

2 Kommentare:

Mark Valerius hat gesagt…

Heh, wusste gar nicht, dass es den Nirvana-Gig auf Video gibt.

Die waren da aber auch noch Scheiße :D

Ein Winzer hat gesagt…

Also, da erlaube ich mir zu widersprechen..

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