Dienstag, 1. Juli 2008

Ball aus, retrospektivieren wir




Die Abende stehen wieder zur freien Verfügung, der Tinnitus à la "Seven Nation Army" beginnt sich langsam wieder zu verflüchtigen, Hektoliter üblen Bieres wandern in die Kanalisation und die Frau an der Fleischtheke interessiert sich nicht mehr für die Aufstellungsvarianten der russischen Fußballnationalmannschaft oder irgendeiner Elf.

Die Euro 2008 ist Vergangenheit. Ein schönes Stück Vergangenheit, wiewohl. Drei Wochen lang wurde auf erfreulichem Niveau Fußball organisiert und gespielt. Womit Werbung für diesen Sport gemacht und dessen Akzeptanz in der breiten Öffentlichkeit merklich erhöht wurde. Der allseits kolportierte explosionsartige Anstieg weiblicher Euro-Zuschauerinnen zeigt, dass der europäische Sport-König Fußball langsam in der Mitte der Gesellschaft angekommen sein könnte. Zumindest einmal während des Ausnahmezustandes der Großereignisse.

Einen wahrhaft würdigen Sieger hat die Euro auch gebracht. Der schöne, der schnelle und der zukunftsweisende Fußball der "Furia Roja" hat den Pokal errungen und damit wohl mehr für die Einheit und Einigkeit Spaniens getan, als hunderte Reden von Premierministern und Königen es je vermocht haben. Ich war ja nie ein Anhänger der spanischen "Seleccion" (und schon gar nicht von Luis Aragones, dem alten Ungustl), aber hier muss man unumwunden attestieren, dass das beste und das richtige (noch einmal ein Adieu an Hicke!), weil folgerichtige, Team diese Meisterschaft gewonnen hat. Weil es immerzu den Zug zum Tor suchte. Und weil es nicht nur über immense einzelfußballerische Qualität verfügt, sondern vor allem auch, weil es als Gefüge wie geschmiert lief und weil es in allen Mannschaftsteilen großartig besetzt und in Form war und nahezu fehlerfrei funktionierte. Letzteres kann man von keiner anderen Equipe des Bewerbes behaupten. Da kommt mit Sicherheit auch Aragones, dem alten Ungustl, ein Gutteil des Verdienstes zu, keine Frage.

Wirklich erfreulich ist dabei, neben dem Umstand, dass sich hier (ganz im Geiste dieses Turnieres) ein immer konsequent auf schnelle Offensive ausgerichteter Fußball durchgesetzt hat, auch noch, dass sich offensichtlich die Riege der europäischen Fußballgroßmächte bedeutend erweitert hat. Neben der doch noch jungen spanischen Truppe, die endlich den Fluch der Erfolgslosigkeit besiegt hat, ist auch von den noch in Entwicklung befindlichen Russen in Zukunft Großes zu erwarten. Und auch die kampfstarke Türkei hat sich nun endgültig unter den großen europäischen Fußballnationen etabliert.

Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Wir blicken also angesichts dieser Gegebenheiten mit großem Optimismus und mit großer Vorfreude auf die Kampagne zur WM 2010 in Südafrika. Wenn nun auch die Brasilianer und die Engländer endlich wieder ihre Form finden und die afrikanischen Mannschaften ihren "Heimvorteil" zu nutzen wissen, kann, ja muss das eine große WM werden! Mit einem nie dagewesenen Aufgebot an Titelanwärtern.

Für weitergehende, ernsthafte, Analysen sei auf den Herrn Blumenau verwiesen. Ein seltener Lichtblick, das muss auch einmal gesagt werden, in der von Fußballhalbwissen geprägten österreichischen Medienlandschaft. Seinen All-Star-Kader kann man nur unterschreiben und Ja und Amen dazu sagen.

Morgen gibt es dann einen letzten Nachschlag, einen kleinen Euro-Rückblick der etwas anderen Art. Dann fällt endgültig der Vorhang.

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