Freitag, 30. November 2007

Ein Winzer im Reich der Mitte # 6

2005 fuhr ich nach Shanghai. Der Grund war Neugierde und die ideale Gelegenheit, die sich darbot, als J. ihren dort arbeitenden Bruder M. besuchen wollte und ich der auserwählte Reisepartner war. Das Tagebuch dieser Reise kann man jetzt auf diesem Blog nachlesen.

5.8.2005

Erneut French Concession. Wieder ein längerer Marsch, obwohl ursprünglich ein Erholungstag eingeplant war. Der Rekord von Mao und Genossen muss und wird in den nächsten Tagen fallen..

Wir besuchen das bekannte Garden Hotel samt Park, wo uns ein junger Shanghaier weiterhilft und uns seine Visitenkarte gibt (Visitenkarten sind bei jungen Chinesen ein Muss, wer keine hat, existiert nicht). Meine Digitalkamera haucht ebenda ihr Leben aus. Made in China. Wir passieren das Lyceum-Theater und gelangen zur Villa des alten Schweden Eric Moller, dem einstigen Eigner der Moller-Linie. In dieser Gegend befindet sich auch das englischsprachige Buchgeschäft "Garden Books". Dort kommen wir mit einem perfekt englisch sprechenden, smart wirkenden jungen Verkäufer ins Gespräch, der aus Beijing zugewandert ist. Er tröstet uns ob unserer Unfähigkeit, das Chinesisch der Shanghaier zu verstehen - er habe es auch erst lernen müssen. Dann fragt er uns, wo wir denn herkämen. Darauhin enstpinnt sich folgender Dialog:

Ich: "We are from Austria!"
Er: "Ah, Austria is a beautiful country! Where in Austria do you come from? Vienna?"
Ich: "No, we are from Linz.."
Er: "Ah..Linz!"
Ich: "You know Linz???"
Er: "Yes, this is were Hitler went to school!"
Ich: "Ehm....yes....and Wittgenstein!"
Er: "Of course, Wittgenstein."

Weil wir gerade auf dem Weg durch die French Concession sind: interessant auch die verschiedenen Erklärungsansätze bei Verlaufen! Befindet sich der Plan in meinen Händen: "Na, hamma wieder verträumt eine Abzweigung übersehen?" Ist der Plan bei J.: "Die Chinesen ham schon wieder eine Straße/ein Gebäude/einen Park weggerissen. Des is nimma da!"

Auf dem weiteren Weg schmeisse ich mit meinem Rucksack beinahe zwei der allgegenwärtig am Wegrand geparkten Fahrräder um. Aber eigentlich wär mit das ja auch egal gewesen, ob da jetzt in China ein Radl umfällt.

Hernach sehen wir die russisch-orthodoxe Missionskirche, wo sich nun ein Restaurant befindet, wiewohl man ja sagen muss, dass das für einen Chinesen die wahrhaft religiöse Stätte ist, sowie das Haus des einstigen inoffiziellen Herrschers der Stadt in den 20ern und 30er Jahren, des Anführers der berüchtigten "Grünen Bande" (nicht mit der Partei um Alexander Van der Bellen zu verwechseln ;) ) Du Yuesheng. Dann gehts noch weiter zu einer Präsentation von "Chinese Blue Nankeen", erlesenen Shanghaier Stoffen. Den Sightseeing-Rundgang beschließt das Wohnhaus des Gelehrten, Reformers und Demokraten Cai Yuanpei, des einstigen Bildungsministers und Rektors der Beijinger Universität in der Zeit der Chinesischen Republik.

Danach gehen wir essen, ich esse wieder Ente, diesmal "roasted", J.´s Frühlingsrollen werden unterschlagen (trotz des Brauchs, einen Zettel mit sämtlichen Bestellungen auf den Tisch zu legen und beim Servieren dann abzuhaken). Zuvor hatten wir noch eine Stätte der Chinesischen Volksreligion besucht, den Jing´an-Tempel. Auffällig, dass es vor allem junge Menschen sind, die hier für Glück und Wohlstand beten, nicht Maos alte Garden.

Schon relativ erschöpft kommen wir schliesslich nach Hause, aber wir haben nur einen kurzen Aufenthalt, sind wir doch schon um 8 Uhr wieder mit M., der von seiner Geschäftsreise zurück ist, samt Kollegen verabredet. Ich werde vo J. noch schnell in den gigantischen Metro-Markt beordert, um den Kühlschrank aufzufüllen. Ich verbringe das olympische Wunder und schaffe es in der knapp bemessenen Zeit, werde aber gerügt, weil ich in der Hast nicht immer die richtigen Produkte aus den Regalen gegrapscht habe.

Das Essen ist das beste, dass wir bisher hier in China konsumiert haben. Tofu, die großartige Peking-Ente, der göttliche Mandarin-Fisch, Schweinefleisch-Bällchen, alles vom Allerfeinsten. Sattheit und Müdigkeit verfliegen angesichts der Köstlichkeiten (diesmal unironisch gebraucht) schnell. Nur die Ciampi lassen J. und ich unangetastet.

Nachher erwartet uns draussen der Taifun. Und ein Taxifahrer, der uns nicht versteht und auch aufgeschriebene Adressen nicht lesen kann. Schliesslich kommen wir aber dann doch gut nachhause. Wir haben ja keine Ahnung, was mit dem nächsten Tag auf uns zukommt.


Weil es von diesem Tag keine Bilder gibt..etwas Makaber-Komisches aus der Shanghaier U-Bahn!

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