Donnerstag, 27. März 2008

Vercoacht


Erwartungsfrohe 40.500 vor dem Spiel Österreich-Niederlande


"Wir haben nicht Pech gehabt, wir haben Fehler gemacht, und die sind bestraft worden", sprach unser Teamchef nach dem gestrigen 3:4 (zur Pause 3:1) gegen die Niederlande im Ernst-Happel-Stadion. Wo er recht hat, hat er recht.

Natürlich ist die niederländische Fußballnationalmannschaft gut und gerne eineinhalb Klassen über die österreichische zu stellen. Natürlich wäre alles andere als ein Sieg des Oranje-Teams in der Abendkälte von Wien eine Sensation gewesen. Dennoch, eine 3:0-Führung gibt man vor eigenem Publikum (40.500 waren bei nicht gerade frühlingshafter Witterung ins Ernst-Happel-Stadion gekommen - auf die Stimmung in der alpenländischen Fußball-Öffentlichkeit kann sich wirklich keiner rausreden) einfach nicht mehr aus der Hand. Egal gegen wen.

Dabei war der Beginn wieder wahrlich eindrucksvoll. Hickersberger hatte, so schien es zumindest von außen, auf ein Revival der Deutschland-Taktik gesetzt. "Gehts aussi, Buaschn, und reissts ois nieda!", so oder so ähnlich. Vielleicht stürmten die jungen Rot-Weiß-Roten aber auch aufgrund selbst geschaffener Übermotivation derart manisch die gegnerische Spielhälfte. Um es allen zu zeigen, inklusive dem eigenen Trainer. Wie auch immer, im Unterschied zum Deutschland-Spiel trafen sie diesmal auch! Man hatte in den ersten 35 Minuten förmlich das Gefühl, dass die Austro-Kicker den Ball regelrecht ins Tor zwingen wollten. Freilich kam ihnen dabei auch eine teilweise amateurhaft agierende holländische Hintermannschaft zu Hilfe, allen hintan der Mann im Gehäuse, Timmer, der 3er-Tormann, der eher wirkte, wie ein Nationalmannschafts-Praktikant, den Trainer Van Basten eben irgendwo auf der Prater-Hauptallee aufgelesen hatte. So stand es dann nach 35 Minuten sensationell 3:0 für Österreich.

Doch dann geschah etwas aus österreichischer Sicht Fatales. Die Holländer entdeckten ihren Stolz im richtigen Moment wieder und brachten sich dank Huntelaar-Kopfball wieder ins Spiel zurück - in der 37. Spielminute, nur gut 120 Sekunden nach dem 3:0. In diesem Augenblick wusste man, dass diese Begegnung noch lange nicht entschieden war. Man ahnte, was da kommen würde: zunehmend selbstbewusster werdende, wütend anrennende Niederländer auf der einen, nach dem Parforce-Ritt zu Beginn körperlich in sich zusammenfallende Österreicher auf der anderen Seite.

Das 3:4 am Ende kam somit eigentlich nicht wirklich unerwartet. Was aber schon erstaunte, war die Art und Weise, wie sich der rot-weiß-rote Teamchef dagegen stemmte. Nämlich gar nicht. In der 64. Spielminute war es, es stand 3:1 für Österreich, da ließ Josef Hickersberger erstmals austauschen. Er nahm zwei Offensivleute aus dem Spiel, Linz und Harnik. Zum allgemeinen Erstaunen brachte er aber keinen echten Defensivmann, sondern mit Janko einen vom ostersonntäglichen 0:7 demoralisierten Stürmer und mit Standfest einen Mittelfeldmann mit zugegeben auch defensiven Qualitäten. Neun Minuten später wechselte er nocheinmal. Der offensive Mittelfeld-Akteur Fuchs verließ das Feld, der offensive Mittelfeld-Akteur Weissenberger kam ins Spiel. Irgendwie hatte man das Gefühl, dass der Teamchef gar nicht daran dachte, die Führung über die Runden zu bringen. Oder, dass es schlicht keinen Plan B für den Fall gab, dass eine Führung zu verteidigen wäre. Dabei wäre sie an jenem Abend unter anderen Umständen und mit etwas Glück sehr wohl zu verteidigen gewesen.

Vielleicht sind Hickersberger ja auch nur seine Aussagen wieder in den Sinn gekommen, die er vor dem Deutschland-Spiel getätigt hat. Ein Sieg gegen einen Gegner wie Deutschland oder Holland wäre gar nicht so gut, hatte er da gemeint. Bloß nicht zuviel Euphorie. Das Letzte, was eine junge, talentierte Mannschaft schließlich braucht, ist Selbstvertrauen.

Armer Hickersberger. Er hat anscheinend derzeit vor dem Erfolg gleichermaßen Angst wie vor dem Scheitern.




Halbzeitanalyse von Holland-Experte MMag. Waaijenberg (bitte Kopf wenden). Für die zweite Halbzeit diese Analyse bitte einfach auf Österreich ummünzen!

Und noch zwei Postskripta an die Adresse des ÖFB, der Stadionverwaltung und des Stadionsprechers:

1. Der "Radetzkymarsch" als Anheiznummer ist eher unglücklich. Wir befinden uns nicht im Krieg. Könnte vor allem gegen Italien zu Verstimmungen führen.

2. Es erscheint ein bisschen scheinheilig, wenn der Stadionsprecher einerseits vor dem Spiel an die Fairness der österreichischen Zuschauer appelliert und diese auffordert, bei der niederländischen Hymne nicht zu pfeifen, andererseits aber dann jedes Tor der Holländer mit einem Tonfall verkündet, der darauf hindeutet, dass gerade gestern beide Großmütter des Ansagers verstorben sind.. Das für die Euro bitte noch üben!

Keine Kommentare:

Amnesty informiert: Menschenrechtsmusik V

Auch dieses Jahr stellen wir wieder aktuelle Musik mit Bezug zu Menschenrechten vor. Zum 5. Mal dabei und mittlerweile ein Fixpunkt in unse...