Freitag, 22. Mai 2009

Rückblog 08 # 3: 2008 im Kino, Teil 3/4

Spot on und die Statuetten poliert: Hier kommen die Ränge 5-1 des Kinojahres 2008. Und mit den "Winzars" werden auch gleich die Einzelpreise vergeben.


05 Christopher Nolan: "The Dark Knight" 4

Christopher Nolan als die Idealbesetzung für den Regiestuhl des filmischen Relaunches der "Batman"-Saga zu bezeichnen, ist grundsätzlich fast schon eine Untertreibung. Sein bisheriges Ouevre hat klar gezeigt, dass Nolan sowohl meisterhaft neue Akzente setzen ("Memento") als auch eine düsterglänzende Ästhetik kultivieren (bei "Prestige" fast noch besser als im zweifellos unterschätzten "Batman Begins")kann. Beste Voraussetzungen für eine aufregende Neuinterpretation des Dunkler Rächer-Stoffes also. Insofern war die Erwartungshaltung, genährt durch die fulminanten Kritiken, sehr hoch. Dem wir der "Dark Knight" allerdings anfangs nicht ganz gerecht. Die erste Hälfte des Filmes fließt - Actionsequenzen hin oder her - eher träge dahin, der Plot und die Dialoge wissen nicht recht zu überzeugen und die Charaktere wirken (im übertragenen Sinne) deutlich blutleerer als erhofft. Immerhin zeigt der von Heath Ledger porträtierte "Joker", dass Nolan die Quellengeschichte der Saga gut studiert hat, trägt dieser doch in seiner (selbserfundenen?) Biographie wie in seinem Charakter deutliche Züge des frühen Joker der DC-Comics wie des literarischen Ur-Joker, des homme qui rit von Victor Hugo. Wirklich neue Maßstäbe in der Darstellung dieser Figur setzt aber in Wahrheit auch der postum gehypte Ledger nicht. Irgendwann nach der Mitte des Filmes nimmt das Batmobil aber dann plötzlich Tempo auf und rast unaufhaltsam auf einen atemlosen und furiosen Schluss-Showdown zu. Die Widersprüche, Paradoxien, Dichotomien, die das Batman-Universum so faszinierend machen, die inneren Getriebenheiten der Charaktere, das alles verdichtet sich zu einem famosen Finale. Aber das beste dabei ist, dass sich dieser Schlusspunkt am Ende als nichts anderes entpuppt als eine Exposition für zukünftig zu erzählende Geschichten. Und da zeigt sich die wahre Sinnhaftigkeit dieses Streifens: ein Koordinatensystem aufzuziehen, in dem sich weitere Abenteuer und Entwicklungsgeschichten des Fledermausmannes und seiner psychopathischen Gegenspieler entfalten können - und das hoffentlich noch länger unter der Anleitung von Christopher Nolan. "The Dark Knight" kann/darf/muss nur ein (weiterer) Anfang sein.


04 Paul T. Anderson: "There Will Be Blood" 4

Ich bin ja der Ansicht, dass in jedem Jahr, in dem Daniel Day-Lewis einen Film dreht, das Oscarrennen gleich offiziell für entschieden erklärt und die kleine Goldfigur zu Mr. Day-Lewis nach Irland aufs Land geschickt werden soll. Day-Lewis spielt den Ölsucher Daniel Plainview mit furioser Intensität, ohne dabei jemals ins allzu Pathetische oder gar Lächerliche abzudriften. Ähnliches gilt auch für Paul Dano, der ihm schauspielerisch gar nicht um so Vieles nachsteht und seinen Film-Gegenspieler, den ambitionierten Erweckungsprediger Eli Sunday, verkörpert. Die Atmosphäre, die Regisseur Paul T. Anderson kreiert, unterstützt die beiden dabei. Der Film ist bildgewaltig ohne zu blenden, emotional dicht ohne auf die Nerven zu fallen. Einen wesentlichen Anteil hat dabei auch die Filmmusik des "Radiohead"-Gitarristen Jonny Greenwood, die "There Will Be Blood" eindrucksvoll umschwebt. Inhaltlich ist Andersons Werk vage an der Erzählung "Petroleum" von Upton Sinclair orientiert, deren sozialkritische Elemente er aber kaum übernimmt. Wer bei "There Will Be Blood" aufgrund der tragenden Protagonisten (ein Öl-gieriger Kapitalist und ein fanatischer, aber zugleich auf den eigenen Vorteil bedachter Prediger) eine Parabel auf Amerika erwartet hat, wird somit nicht ganz bedient. Zwar spielt Anderson hier zweifellos mit den düsteren Schichten der amerikanischen Seele, letztlich entsteht aber kein apokalyptisches Gemälde einer aufgewühlten Gesellschaft, sondern eher eine allgemeine Darstellung des in seiner Getriebenheit gefangenen menschlichen Existenzkampfes. Auch die politischen Bezüge bleiben damit doch eher diffus: der gierige Kapitalismus und der selbstgerechte Evangelikanismus erscheinen in "There Will Be Blood" als klare Gegenspieler, die danach trachten, sich gegenseitig zu übervorteilen, nicht als die strategischen Partner, die sie im populären Bild von Amerika oft bilden.

03 Jon Favreau: "Iron Man" 4

Ein Genre wird schön langsam erwachsen. Comic-Adaptionen waren lange Zeit im besten Falle mittelmäßige, im schlimmsten extrem dümmliche Streifen, die auf hilflose Art und Weise versuchten, die Wesenheiten des vermeintlich grellen, ursprünglichen Mediums auf die Leinwand zu übertragen. In den letzten Jahren nimmt die Zahl gelungener Versuche aber sprunghaft zu, von den passabeln "X-Men" über das schon recht eindrucksvolle "Sin City" bis zu den bisherigen Höhepunkten dieser Entwicklung, "The Dark Knight" und eben "Iron Man". Dieser Qualitätswandel hat sicher etwas mit der zunehmend breiteren Akzeptanz des Comics als ernsthafte Kunstform zu tun, die auch zu entsprechenden ernsthafteren Umsetzungsunternehmungen führt. Umgekehrt wirken diese natürlich auch wieder auf die Akzeptanz zurück, ein sich selbst verstärkender Prozess entsteht. "Iron Man" bereichert dieses Genre nun um einige neue Komponenten. "Iron Man" ist der erste Superhelden-Film, der auch ein Schauspielerfilm ist. Die Darstellung des zum humanistischen Helden gewandelten Ex-Playboy-Kapitalisten Tony Stark durch Robert Downey Jr. ist famos. Er schafft es tatsächlich, seinem Superheldencharakter ironischen Witz gleichermaßen einzuhauchen wie menschliche Glaubwürdigkeit, das Comichafte mit dem Humanistischen zu vereinen. Der feine Humor ist es schließlich auch, der "Iron Man" von allen anderen Filmen über Comichelden abhebt (gerade auch von dem in dieser Hinsicht stellenweise etwas hölzern wirkenden Dark Knight). Das ironische Element ist hier immer präsent, aber die Integrität des Helden wird deswegen nicht aufgegeben, es wird vielmehr wesentlicher Bestandteil derselbigen. Das "Iron Man" nebenbei auch noch ein sehr ordentlicher Action-Streifen ist, kommt da nur noch ergänzend hinzu.

02 Quentin Tarantino/Robert Rodriguez: "Grindhouse" 4

2007 waren zwei Filme getrennt voneinander im Kino zu sehen, die eigentlich als "Double Feature" konzipiert waren und in den USA auch als solches gezeigt wurden: "Death Proof" von Quentin Tarantino und "Planet Terror" von Robert Rodriguez. Während mich "Death Proof" ziemlich begeisterte (4 Sterne mit leichter Tendenz nach oben), sagte mir "Planet Terror" nur teilweise zu (3.5 mit deutlicher Tendenz nach unten). Interessant war es da, diese beiden Filme als Ganzes zu sehen. Diese Gelegenheit ergab sich 2008 dank der sommerlichen Freiluft-Kinovorführungen vor dem Linzer O.K.-Centrum. Dabei stellte sich heraus, dass "Death Proof" in der "Grindhouse"-Variante deutlich kurzatmiger daherkam als in der Langversion. Der Film muss selbst für Zuschauer, die letztere nicht kennen, stellenweise arg zusammengeschnitten gewirkt haben. Trotz der Kürze und teilweise erstaunlicher Auslassungen bleibt "Death Proof" natürlich ein sehenswertes Film-Comic. "Planet Terror" hingegen wirkt weniger gestaucht, hier hätte man die Schere aber durchaus vergleichsweise großzügiger ansetzen können. Was "Grindhouse" aber wirklich zur essenziellen Abrundung des "Death Proof"- und "Planet Terror"-Konsumes macht, sind weitere trashig-schöne "Fake Trailers", die zwischen den beiden Filmen gezeigt werden. Unter dem Strich: die erwartete Bewertung am Schnittpunkt der beiden Bestandteile unter Berücksichtigung der Fake Trailers.


01 Ben Stiller: "Tropic Thunder" 4

Wer hätte anfangs des Jahres gedacht, dass ich am Ende des Jahres eine Film ganz oben stehen haben würde, in dem Ben Stiller mitspielt? Geschweige denn einen Film, bei dem Ben Stiller Regie führt! Nicht, dass mir Ben Stiller unsympathisch wäre, prinzipiell muss man den Mann mögen, glaube ich. Und das sage ich nicht nur, weil meine Freundin Stein und Bein schwört, dass er - vielleicht als Übung in method acting - in der Traffik bei uns ums Eck Zigaretten und Magazine verkauft (meine Freundin behauptet allerdings auch, dass ich häufig beim Spar am Hauptbahnhof an der Wursttheke stehe, also soviel dazu..). Nein, es war einfach so, dass der Humor seiner bisherigen Filmvehikel mich nicht eben begeistert hat. Aber "Tropic Thunder" ist anders. "Tropic Thunder" ist das, was rauskommt, wenn eine Gruppe befreundeter Hollywoodstars beim Luxusitaliener ihrer Wahl zusammensitzt, gut isst, viel Wein trinkt und sich königlich über das amüsiert, was am abgelaufenen Drehtag und in der Welt des großen Filmgeschäftes passiert ist. Aus diesem illuminierten Geflachse enstehen dann aberwitzige Ideen, schräg, bunt und politisch nicht immer hundertprozentig korrekt. Und aus diesen Nachdrehtagsphantasien wurde hier erfreulicher Weise sogar ein Film. In diesem Film, der von den aus dem Ruder laufenden Dreharbeiten zu einem Kriegsfilm handelt, begegnen uns tyrannische Produzenten, treffen wir nerdige Regisseure, selbstherrliche Hollywoodstars und fanatische method acter. An der Spitze dieser Menagerie: Regisseur Ben Stiller als mit Allüren behafteter Superstar, Robert Downey Jr., erneut großartig, als mehrfach Oscar-gekrönte Weißer, der mit jeder Faser seines Herzens und Könnens einen Schwarzen spielt, sowie Tom Cruise in einer seiner bis dato wohl besten Rollen als Furcht erregender Studioboss. Ergänzend tritt unter anderem auch noch Jack Black auf, der sich selbst spielt und daher eher nervt. Generell ist "Tropic Thunder" ein Film mit Durchhängern und Schwächen und sicherlich kein ganz großes Meisterwerk. Dennoch ist er mit Sicherheit das Erfrischendste, was das Kinojahr 2008 zu bieten hatte. Und an drei bis vier Stellen dermaßen komisch, dass sich schon hier das Eintrittsgeld rentiert.




Welche Einzelleistungen waren also im Bereich Film im Jahr 2008 besonders hervorzuheben? Ich darf noch einmal meinen ganz persönlichen roten Teppich ausrollen! Der "Winzar" geht an..

Bester Film: Ben Stiller "Tropic Thunder"
Beste Regie: Paul T. Anderson "There Will Be Blood"
Beste Filmmusik: Jonny Greenwood "There Will Be Blood"
Beste Hauptdarstellerin: Ellen Page "Juno"
Bester Hauptdarsteller: Daniel Day Lewis "There Will Be Blood"
Beste Nebendarstellerin: Susan Sarandon "In The Valley Of Elah"
Bester Nebendarsteller: Tom Cruise "Tropic Thunder"

So, das wars, technische Kategorien sparen wir uns.

Nächstes Mal schließe ich den Jahresrückblick betreffend Film mit einer heiß ersehnten Kategorie ab: Welche Werke haben die LeserInnen dieses Blogs bevorzugt? Die Auflösung folgt demnächst!

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