Österreich und Österreicher heimsen ja derzeit reihenweise Filmpreise ein. Das ist schön, weil ein sich selbst verstärkender Prozess (den Ausdruck hab ich unlängst schon einmal hier gebraucht, pardon). Man nennt das auch Hype. Durch das neue Scheinwerferlicht wird alles, was cineastisch aus Österreich kommt, wohlwollender betrachtet und mit mehr Aufmerksamkeit bedacht. Mit der Szene befreundete Kulturredakteure schreiben in solchen Situationen zwar ganz gerne von Qualitätssteigerung, kreativer Weiterentwicklung oder rufen am Ende gar noch so etwas wie eine neue "Schule" oder Bewegung aus, aber in Wahrheit lässt sich wohl viel auf dieses Wirkungsprinzip zurückführen.
Was aber auch auffällt, ist, dass sich die Österreicher in den Preis gekrönten Werken meist mit einem Themenkreis beschäftigen: Nationalsozialismus und Faschismus. Stefan Ruzowitzky hat es mit dem KZ-Drama "Die Fälscher" vorgemacht, begab sich direkt in das Leben und Leiden der braunen Lager, dann verfolgte Michael Haneke mit dem "Weißen Band" die Spur zurück zu den Wurzeln der Katastrophe und auch Christoph Waltz erhielt seine Goldene Palme für die Darstellung eines SS-Hauptmannes in der antinazistischen Vergeltungsfantasie "Inglorious Basterds" von Quentin Tarantino.
Das jetzt unter die Kategorie "späte, aber geglückte Vergangenheitsbewältigung" einordnen zu können, wäre zu schön um wahr sein. Leider hält das Österreich des Jahres 2009 dieser gravitätisch-gelassenen Sichtweise eine Realität entgegen, die mehr denn je zeigt, dass das Gift immer noch weiterkocht.
Da werden von Seiten einer Partei, die hierzulande 20% der Bevölkerung anspricht, die Attacken auf KZ-Überlebende durch Jugendliche als "Lausbubenstreiche" verharmlost. Da schreckt diesselbe Partei nicht davor zurück, unmittelbar darauf einen Wahlkampf zu führen, der offen mit dem Antisemitismus liebäugelt. Da wird ein Nationalratspräsident dieser Republik, der ebenfalls aus dieser Partei stammt und dessen Mitarbeiter Kunden eines neonazistischen Versandhauses sind, durch antisemtische Ausritte auffällig. Da richtet eine andere Partei, die dem selben Lager zuzurechnen ist, im Gebirge Lager ein, um dort, als "Zwischenlösung" Asylwerber zu verwahren und droht eine "endgültige Lösung" der Frage der slowenischsprachigen Ortstafeln an.
Anschauungsunterricht für Filmschaffende gibt es hierzulande also genug. Die Dreistigkeit, mit der in Österreich in jüngster Zeit mit Nazisympathien geschäkert wird, ist unerhört. Die Rechte scheint durch die Tatsache ermutigt, dass sie als moderne politische Bewegung und wichtiger strategischer Partner anerkannt wird. Wer Mehrheiten beschafft, kann so böse nicht sein.
Angefangen hat diese Ära des zunehmend offenen Visiers vor einigen Jahren, als ein bürgerlicher Politiker vorgab, durch die Hereinnahme der (damals noch weitgehend gemäßigten) Rechten diese "zivilisieren" zu wollen. In Wahrheit wollte sich der Christdemokrat nur aus einer als erstarrt und repressiv empfundenen Beziehungskiste herauszaubern. Das Ergebnis war jedoch verheerend. Nach kurzzeitigem rechten Absturz wegen massiver realpolitischer Inkompetenz erholte sich das Dritte Lager und ist nun stärker - und dreister - denn je. Der kleine Zauberlehrling hatte diese Geister zwar nicht gerufen, aber er hatte ihnen fahrlässig die Tür geöffnet.
Möglich war das aber nur, weil auch die "bürgerliche Mitte" in diesem Land (egal, ob sie jetzt in der ÖVP angesiedelt ist oder sogar teilweise in der alten FPÖ angesiedelt war) jegliche Berührungsängste mit den rechten Rabauken vermissen ließ. Das wiederum weist (im Verein mit dem kolossalen Scheitern des erwähnten Entzauberungsversuches) darauf hin, dass das Gift noch viel tiefer sitzen muss, als man es auf den ersten Blick annehmen würde.
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