07 David Fincher: "The Social Network" 3
USA 2010
Ja, Facebook nervt. Man hat ja das Gefühl, man müsse dabei sein, müsse immer wieder rein schauen, sonst verpasse man etwas. Aber dann verbringt man 90% seiner Zeit damit, banale Meldungen zu lesen und zwanghaft auf "aktualisieren" zu drücken. Ohne Facebook kann man nicht mehr leben, mit ihm ist es irgend wie auch mühsam. Und dann ist da auch noch die Sorge um die höchstpersönlichen Daten und die Frage: "Was tut Facebook mit seiner neu gewonnenen globalen Machtposition?". Haben wir es hier mit lockeren Typen zu tun, die die Welt offener machen wollen oder doch bloß mit eiskalten Kapitalisten? Wie jeder neuen Macht auf dem Planeten begegnen wir Facebook mit einer Mischung aus Faszination und Ängstlichkeit. Mit diesen Fragen setzt sich "The Social Network" aber nicht dezidiert auseinander. "The Social Network" ist eine (von David Fincher blitzsauber, aber mit Sicherheit nicht Oscar-reif in Szene gesetzte) Unternehmens-Biographie von strittiger Faktizität, in der wir verschiedene Akteure beinhart um Einfluss im Start-Up rittern sehen. Am Ende erkennen wir: wenn es um das Ticket in den Mega-Wohlstand geht, gibt es keinen Unterschied zwischen alteingesessen-elitären WASPlern und pickeligen Computer-Nerds. Womit die eingangs gestellten Fragen durch den Film vielleicht doch indirekt beantwortet werden.
06 Joel Coen, Ethan Coen: "A Single Man" 3.5
USA 2009
Die Coen-Brüder sind, so wissen es ihre Biographen, in einer Vorstadtsiedlung von Minneapolis aufgewachsen, die Eltern waren in der jüdischen Gemeinde verwurzelte Universitätsprofessoren. Wer "A Single Man" ansieht, wird diese Welt unschwer wieder erkennen. Eine Welt, die oberflächlich betrachtet vor suburbaner amerikanischer Biederkeit nur so strotzt, aber gleichzeitig dennoch etwas Eigentümliches hat, ihre eigene Sprache, ihre eigenen Codes verwendet. Wir schreiben das Jahr 1967, was folgerichtig ist (Joel und Ethan sind Jahrgang 1954 und 1957) und die erwähnten Effekte noch verstärkt. Als liebevoll-nostalgisch kann man diese Rückblende jedoch nicht bezeichnen, was angesichts ihrer Konstrukteure aber auch nicht überrascht. Ganz zu Beginn des Filmes wird zunächst noch weiter zurück gegriffen, in ein kaltes russisch-jüdisches Shtetl, in dem ein Familienfluch seinen Ausgang nimmt. Die Hauptfigur, der Universitätsprofessor, tritt uns als logische Emanation desselbigen entgegen. Im Gegensatz zu anderen Coen-Filmen hat man hier aber nicht den Eindruck, dass ein zynischer Strippenzieher die Figuren erst in ihr Unheil rennen lassen muss. Sie sind schon längst da. Zwischenzeitliche Lichtblicke dienen nur dazu, trügerische Ausblicke zu verschaffen. Das Leben ist ein Zustand, aus dem es kein befriedigendes Entrinnen gibt. Soweit das Offensichtliche. Den Subtext des Streifens werden vermutlich nur die Gebrüder Coen ganz erfassen können.
05 Ken Loach: "Looking For Eric" 3.5
UK 2009
Über die schauspielerischen Qualitäten von Eric Cantona kann man geteilter Meinung sein. Man denke nur an seinen medienwirksamen Aufruf, den globalen Finanzkapitalismus durch das synchrone Beheben von Bankguthaben zu Fall zu bringen. Zum versprochenen Termin aufgetaucht ist er dann ja nicht - auch sonst niemand, nebenbei bemerkt. Angeblich hatte er einen Filmdreh (böse Zungen witzelten allerdings, er habe ganz einfach nicht genug Laster aufgetrieben, um sein Erspartes abtransportieren zu können). In "Looking For Eric" hat er aber unzweifelhaft Heimvorteil. Er spielt ganz einfach sich selbst und das macht er doch ganz ordentlich. Dass das so gut aufgeht, ist einerseits sicherlich der weisen Führung durch Ken Loach zu verdanken, andererseits aber - und wahrscheinlich hauptsächlich - seinem Leinwandpartner: Steve Evets als sympathischem Verlierer und Manchester United-Fan, der sich sein Idol Cantona herbei-fantasiert und diesen Film prägt und entscheidend mitträgt. Nach den erbaulichen humoristischen Elementen der ersten Halbzeit schwenkt der Film dank der gefährdeten Patchwork-Kinder des von Evets gespielten Hauptcharakters in ein ernstes Sozialdrama Loach´scher Prägung. Nur, um zum Ende wieder die Abzweigung in Richtung Fußballplatz zu kriegen, wo es dann rustikal und einigermaßen politisch-unkorrekt zur Sache geht. Das kann man durchaus als etwas problematische Hommage an die fragwürdigen Seiten der Fußball-Fankultur sehen. Man kann es aber auch einfach locker nehmen und sich schlicht darüber freuen, dass Ken Loach und seine Darsteller die ernsten und komischen Elemente in diesem Werk so gut zum Zusammenspiel gebracht haben.
04 Cary Fukunaga: "Sin Nombre" 4
MEX/USA 2009
Es gibt viele Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen. Sayra (Paulina Gaitan) zum Beispiel will sich zu Verwandten in den USA durchschlagen, weil sie sich ein besseres Leben erhofft. Willy, "El Caspar" genannt (Edgar Flores) wiederum ist auf der Flucht vor seiner ehemaligen Bande, einer Gruppe Mara Salvatruchas aus Tapachula im mexikanischen Bundesstaat Chiapas. Dass das nicht leicht wird, ist ihnen bewusst. Zu Hunderten hocken die Ausreisewilligen auf den Dächern von Zügen und fürchten sich vor der Polizei, vor Übergriffen aus der lokalen Bevölkerung und vor den Überfällen krimineller Banden. Fernab der Heimat sind sie, ausgesetzt unter fremden Menschen aus ganz Lateinamerika. Die Reise durch Mexiko ist die eine Sache, die Grenze im Norden zu überschreiten eine ganz andere. Da muss man seine Pesos zusammen halten, um am Ende der (Tor-)tour eine Chance zu haben, ins gelobte Amerika zu gelangen. Dass man, wie "El Caspar", vor den Maras auf der Flucht ist, macht die Chancen der Einreise nicht besser, ganz im Gegenteil. Auch Sayras Rehleinaugen werden ihr nicht allzu viel helfen und die Tatsache, dass sie sich in den Mara-gehetzten Willy verschauen, erst recht nicht. Es ist das Wagnis ihres Lebens. Der Regisseur Cary Joji Fukunaga ist selbst weit herum gekommen. Der Sohn eines Japaners und einer Schwedin ist in Kalifornien aufgewachsen und hat in Frankreich, Japan und Mexiko gelebt. "Sin Nombre" gießt er in wunderschöne Bilder, ohne dabei irgend etwas zu beschönigen oder zu behübschen. Die beiden HauptdarstellerInnen wiederum geben ihre Rollen mit beklemmender Intensität und Glaubwürdigkeit. Der Film nimmt einen mit in eine Welt, die man nicht kennt und die beeindruckt. Und, die sichtbar macht, was jene durchgemacht haben, die es zumindest einmal bis ins Zielland geschafft haben.
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