Denn diese WM war spannend wie kaum eine andere. Und es wurde sehr anständiger Fußball gespielt. Die Zeiten, in denen böse Witze (so à la "Frauenfußball klingt toll, aber wo sind die Frauen und, vor allem, wo ist hier der Fußball?") noch den Hauch eines wahren Kernes hatten, sind definitiv ein für allemal vorbei. Das Championat in Deutschland räumte endgültig mit einer Reihe von Vorurteilen auf, denen das weibliche Balltreten ausgesetzt ist.
Vorurteil 1: Beim Frauenfußball spielen sie ja noch langsamer als Beckenbauer und Prohaska in den 70ern und frühen 80ern!
Der Frauenfußball hat in Punkto Schnelligkeit im letzten Jahrzehnt enorm zugelegt. Wer die Weltmeisterschaft 2011 verfolgt hat, hat temporeiche, abwechslungsreiche und einsatzfreudige Spiele gesehen, die so manche Männer-Champions League-Taktikschlacht ziemlich fad erscheinen lassen.
Vorurteil 2: Frauenfußball ist nicht athletisch und Zweikampf betont.
Natürlich sind Frauen körperlich keine Männer und werden gegen halbwegs gleichwertig trainierte Männerteams immer das Nachsehen haben. Aber, wer behauptet, dass im Frauenfußball keine Athletik steckt, hat nicht gesehen wie die US-amerikanischen Angreiferinnen in die gegnerische Verteidigung hineinpflügen. Auch Zweikämpfe und Härteeinlagen gab es ausreichend. Es muss ja nicht gleich eine Gewaltorgie im Stile der Oranje Boven sein.
Vorurteil 3: Frauenfußball ist technisch nicht ausgereift.
Sicherlich, den weltbesten Kickerinnen unterlaufen bei hohem Tempo wesentlich mehr technische Fehler als ihren männlichen Kollegen. Aber, der Vergleich ist nicht ganz fair, ist doch die Zahl an Spielerinnen, aus denen der Frauenfußball schöpfen kann, nach wie vor vergleichsweise winzig. Und dennoch: auch hier zeigen sich erfreuliche Tendenzen.
Vorurteil 4: Die Teams sind taktisch nicht auf der Höhe.
Habt ihr die Japanerinnen spielen gesehen? Von dieser taktischen Disziplin und Beharrlichkeit können sich die meisten Männerteams ein Scheibchen abschneiden.
Vorurteil 5: Frauenfußball ist langweilig. Da gewinnen immer die Gleichen.
Japan wurde überraschend Weltmeister. Nahezu jedes Spiel in den Ausscheidungsrunden war ein enges Duell, das die längste Zeit auf der Kippe stand.
Vorurteil 6: Beim Frauenfußball ist keine Stimmung im Stadion, weil das keinen interessiert.
Mag sein, wenn Neulengbach um den österreichischen Meistertitel spielt, vollzieht sich das eher unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Aber zur WM in Deutschland kamen 845.711 Zuschauer, was einem Schnitt von 26.428 entspricht.
Vorurteil 7: Dem Frauenfußball fehlen die großen Stars.
Mit der steigenden Popularität des Sports wächst auch die Popularität seiner besten Spielerinnen. Homore Sawa, das Mittelfeld-As von Weltmeister Japan kennt in Nippon jetzt jedes Kind und auch Akteurinnen wie Marta (Brasilien) und Abby Wambach (USA) haben mittlerweile (zu Recht) einen hohen Starfaktor.
Vorurteil 8: Beim Frauenfußball regiert ein herber, harter Frauentyp.
Natürlich prägt jeder Sport jene, die ihn ausführen und unterwirft sie vorab einer gewissen Selektion. Alles andere wäre auch absurd. Fußball ist ein kämpferischer Sport, der vollen Körpereinsatz fordert und bildet sich zwangsläufig bis zu einem gewissen Grad auch in denen ab, die in ausführen. Aber, abgesehen davon, dass man bei allem Hang zur Athletik auch im Frauenfußball unterschiedlichste Menschen zu sehen bekommt (was sich durch den wachsenden Zulauf zu diesem Sport weiter verstärkt), ist das eigentlich auch völlig egal. Beim Fußball gehts glücklicher Weise nicht um irgendwelche gesellschaftlichen Schönheitsideale, denn sonst hätten Maradona, Zidane, Ronaldinho oder Messi auch nie ein Leiberl gehabt.
Vorurteil 9: Die Leistungen der Torhüterinnen sind schwach.
OK, dieses eine Vorurteil traf bei dieser WM noch zu. Auch wenn Kaihori (Japan) und Solo (USA) in den letzten Partien viel wettmachen konnten, ist in diesem Bereich zweifellos noch einiges an Verbesserungsbedarf gegeben. Wenn man feststellen muss, dass das Reservoir an Spielerinnen im Vergleich zu den Männern gering ist, dann trifft das natürlich umso mehr für die Torfrauen zu.
Aber auch das ist eigentlich schön am Frauenfußball: Dass noch einiges an Raum nach oben ist und man Zeuge einer Weiterentwicklung werden kann.
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