Montag, 11. Juli 2011

Syrien = Libyen ?

Ich habe mich vor Monaten an dieser Stelle für ein (zumindest begrenztes) militärisches Eingreifen in Libyen ausgesprochen und halte die Entscheidung dafür auch nach wie vor für richtig. Das war und ist kein leichthin gewählter Standpunkt. Mir ist völlig bewusst, dass das Mittel des Krieges nur ultima ratio sein darf, das letzte Mittel, um einer katastrophalen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Diese Haltung wird jedesmal schmerzlich auf die Probe gestellt, wenn Berichte von Kriegsopfern und Zerstörung aus Libyen dringen, die ein ums andere Mal bewusst machen, was Krieg bedeutet.

Klar ist für mich aber auch, dass auch ein Nichteingreifen ein langwieriges Blutvergießen bedeutet hätte. Zwar hätte Ghadafi militärisch möglicherweise rasch die Oberhand behalten, aber mit ziemlicher Sicherheit wäre ein blutiges Strafgericht die Folge gewesen, das insbesondere auch die Zivilbevölkerung betroffen hätte. Diese Taten hätten den Kreislauf der Gewalt weiter angetrieben, hätten wohl zu Anschlägen und weiteren Unruhen geführt. Ein instabiles und isoliertes Libyen wäre die Folge gewesen, von dem keiner profitiert hätte, außer der Diktator Ghadafi selbst, der an der Macht und unbehelligt geblieben wäre. Damit wäre aber auch ein verheerendes Signal gesendet worden: Diktatoren können sich behaupten, wenn sie sich mit äußerster Brutalität und schwerem Geschütz an die Macht klammern.

Das in Syrien seit Monaten stattfindende Massaker an der Zivilbevölkerung kann man gewissermaßen als grausame Illustration dieses Szenarios ansehen. Hier wurde nicht militärisch eingegriffen, hier ließ man den Dingen seinen Lauf. Was wir in Syrien erleben, ist ein fortwährender Kreislauf von Aktion und Reaktion: auf Demonstrationen der Bevölkerung folgen Gewaltorgien der Staatsmacht, diese haben weitere, wütende Proteste zur Folge usf. Und die Chancen, dass dies zu einem raschen Ende kommt, stehen kaum besser, vermutlich sogar schlechter als in Libyen, wo jetzt zumindest ein Teil des Landes dauerhaft dem Zugriff des mordenden Diktators entzogen ist.

Muss man aus dem Gesagten aber nicht folgern, dass auch gegen das Assad-Regime militärisch vorgegangen werden sollte?

Die Natur des Aufbegehrens ist in Libyen eine andere als in Syrien. Im afrikanischen Wüstenstaat hat sich rasch eine geographisch festmachbare Spaltung ergeben, der Osten des Landes vollzog eine Sezession. Die Fronten sind dadurch relativ klar hervor getreten. In Syrien hingegen hat man es mit einer völlig unübersichtlichen Situation zu tun. Es ist dort, soweit erkennbar, kein Bürgerkrieg im eigentlichen Sinne im Gange, sondern ein Dreinschlagen der Regierungskräfte auf eine zu unterschiedlichen Zeitpunkten an unterschiedlichen Orten aufflammende Protestbewegung. Eine militärische Intervention ist unter diesen Voraussetzungen strategisch immens schwierig, die Risiken sind kaum abzuschätzen. Hinzu kommt das Faktum, dass die in Syrien herrschende Elite einer religiösen Minderheit angehört. Wer in dem asiatischen Staat militärisch eingreift, muss es gleichzeitig schaffen, zu verhindern, dass umfangreiche Vergeltungsaktionen gegen diese Gruppe stattfinden.

Heißt das aber jetzt, dass man im Falle Syriens einfach die Arme verschränken und nichts tun soll? Nein, keineswegs. Das Verhalten des UN-Weltsicherheitsrates in Bezug auf Syrien ist blamabel. Kein Embargo, kein Befassen des Internationalen Strafgerichtshofes. Eine Reihe von Nationen blockiert bislang jegliches Vorgehen gegen die syrische Regierung. Darunter sind mit Indien, Brasilien und Südafrika auch drei Staaten, dich sich gerne in der Rolle kommender global player sehen. Hier kann man Druck ausüben.


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