Das Wort "Lagune" entstammt dem Lateinischen "lacuna", was mit "Weiher" oder "Lache" übersetzt wird. Eine Lagune ist eine Bucht, die derart von Landzungen, Inseln bzw. Sandbänken umgeben ist, dass sie vom offenen Meer abgetrennt ist, was zu einer Entsalzung und der Entstehung eines spezifischen Ökosystems führt. Die Lagune von Venedig ist das Resultat der Aufschwemmung von alpinen Sedimenten aus dem Brenta und anderen Nebenflüsse des Po in der Adria. Ihr heutiges Erscheinungsbild ist aber auch wesentlich von menschlicher Hand geprägt. Um eine Verlandung der Lagune zu verhindern und somit die geschützte Bucht zu erhalten, wurden Flüsse umgeleitet. Ein Eingriff, der heute zu massiven Problemen führt, da der südliche Teil der Lagune mangels Nachschub an Sedimenten vollends im Meer zu versinken droht. Die giftigen Abwässer der an der Festlandküste in Mestre und Marghera angesiedelten Schwerindustrie sowie illegale Fischerei tun ihr übriges, um das Ökosystem der Lagune nachhaltig zu verändern.
M wie Murano
Nette Insel nördlich der Isola San Michele (s. F). Bekannt für die Glaserzeugung, wobei das feilgebotene Kunsthandwerk von vermutlich in Asien hergestellter Massenware bis zu echten Glaskunstwerken reicht. Murano ist ein kleines Venedig, mit Kanälen und Brücken, nur mit weit schlichteren Fassaden und nicht derart von Touristen überfüllt. Sogar einen "Canal Grande di Murano" (welch liebenswürdige Übertreibung) gibt es, an dem wir eines schönen Mittags sehr gut gegessen haben. Ich: Carpaccio mit Rucola und Parmesanscheiben. Quasi ein All-Star-Team der italienischen Gaumenfreuden als genial einfaches Gericht: Carpaccio auf Rucola-Salat legen, nicht geriebenen Parmesan drüber und fertig. Die Qualität der Zutaten muss natürlich auch passen, eh klar. Den Ausblick auf den Canal Grande von Murano werde ich in meiner Küche halt leider nicht reproduzieren können.
N wie Nicht trinken!
Das gilt nicht nur für die grünliche Brühe, die sich in den Kanälen Venedigs befindet (für alle, die es nicht wissen sollten [oder wollen], sei es hier deutlich gesagt: Venedig hat bis heute KEINE Kanalisation!), sondern auch für das unten abgebildete Getränk, das wir ahnungslos in Padua erworben haben. Das soll offensichtlich Campari-abhängigen Italienern bei der Entwöhnnung helfen und schmeckt ungefähr so, wie ich mir als Nicht-Raucher Nicorette vorstellen darf.
O wie Orto Botanico
Der Botanische Garten der Universität Padua ist der älteste noch existierende Botanische Garten der Welt und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Er wurde 1545 vom Senat der über Padua herrschenden Republik Venedig gestiftet, um die Forschung an Heilpflanzen (vermutlich auch wegen P) voran zu treiben. Kein Besucher der Stadt Padua sollte diesen ehrwürdigen, schönen und (zumindest wochentags) friedlichen Ort verpassen.
P wie Pest
Hochgradig ansteckende Infektionskrankheit, von welcher Venedig in seiner Geschichte mehrmals schwer getroffen wurde. 1576 etwa fiel etwa ein Drittel der Bevölkerung - 50.000 Menschen - der Seuche zum Opfer. Für das Ende der Epidemie gelobte der Senat den Bau der Kirche "Il Redentore" auf der Insel Giudecca, welche vom architekturhistorisch höchst bedeutenden Andrea Palladio umgesetzt wurde. Alljährlich findet hier das "Erlöserfest" statt, das an das Ende des großen Sterbens von 1576 gemahnt. 1630 war jedoch die Pest wieder zurück. Wiederum wurde der Bau einer Kirche gelobt, was nach 40.000 weiteren Toten dann auch geschah. So entstand an der Einfahrt des Canal Grande die elegante wie imposante Barockkirche Santa Maria della Salute.
Q wie Qual der Wahl?
Zweifellos gehört Venedig in die Kategorie jener Destinationen (zusammen etwa mit New York, Rom, Istanbul), an denen man sehr viel Zeit verbringen kann, ohne alles gesehen zu haben, insbesondere wenn dann auch noch die Biennale stattfindet (sofern nicht Montag ist). Gleichzeitig ist das centro strorico aber auch wieder auf eine angenehme Art überschaubar: die jeweiligen Gassen und Plätze sind gut angeschrieben, die wichtigsten Ziele ausgeschildert, die Straßenschilder weisen auch auf den jeweiligen Stadtteil (sestiere) und die Kirchgemeinde, in der man sich befindet, sodass man sich ganz gut einorten kann. Darüber hinaus ermangelt es nicht an markanten Anhaltspunkten in der Stadt, an denen man sich orientieren kann - sei es jetzt der Canal Grande, die zahlreichen verschiedenen Brücken oder schlicht die Lagune. Notfalls kann man immer noch auf einen Campanile steigen und sich einen besseren Überblick verschaffen.
R wie Reliquien
Um nicht alleine wirtschaftlich und politisch ernst genommen zu werden, sondern sich auch einen spirituellen Rang zu verschaffen, klauten die Venezianer kurzerhand die sterblichen Überreste des Evangelisten Markus aus Alexandria. Der Legende nach wurden sie in einer Ladung Schweinefleisch aus Ägypten geschmuggelt - nicht sehr standesgemäß, aber effizient. Weniger Glück hatte man allerdings mit in Myra erworbenen Reliquien des heiligen Nikolaus. Diese wurden umgehend in San Niccoló am Lido (s. S) verehrt, man musste jedoch in weiteren Folge leider feststellen, dass sich der Heilige bereits seit längerem in einer Kirche in Bari befand. Dafür findet sich eine weitere, wichtige Heilige in der Lagunenstadt: die (im Vierten Kreuzzug aus Byzanz geraubten) Reliquien der heiligen Lucia ruhen in der Kirche San Geremia, nachdem ihr eigenes Gotteshaus dem Bahnhof weichen musste.
S wie Strand
Der Lido di Venezia, das ist der Strand von Venedig. Eine lang gestreckte Nehrung in der Lagune, die das historische Zentrum der Stadt vom Meer abschirmt. Erreicht man den Lido von Venedig kommend per Boot, hat man das Gefühl, in einer anderen Welt gelandet zu sein. Korrekter wäre es allerdings zu sagen: aus einer anderen Welt wieder zurück zu sein. Denn der Lido präsentiert sich dem Besucher als ein ganz gewöhnlicher Badeort, mondän zwar, aber doch vertraut. Am Lido gibt es keine Kanäle, sondern normale Straßen, auf denen Autos und Motorrädern fahren. Sogar eine eigene Buslinie gibt es. Die Strände am Lido sind großteils in der Hand der Hotels, es existiert aber auch ein öffentlicher Strand. Der ist zweifellos gut frequentiert, aber zum Zeitpunkt unserer Reise (Ende Juni) gar nicht so überfüllt, wie ich es befürchtet hätte.
T wie Tauben
Sind in Venedig vorhanden, aber, wie mir scheint, auch nicht mehr viel stärker präsent als in anderen urbanen Zentren. Zumindest sind sie mir nicht unangenehm aufgefallen, was aber auch daran liegen mag, dass mir Tauben prinzipiell sympathisch sind. Seit 2008 ist das Füttern von Tauben verboten, obwohl diese in Venedig traditionell hohes Ansehen genießen, seit eine Taube die Nachricht von der Einnahme Konstantinopels überbrachte. Zu Anfang des 20. Jahrhundert sollen sie sogar noch von der Stadtverwaltung amtlich gefüttert worden sein (Quelle).
U wie Ueberforderung
Ganz ehrlich, nach einem halben Tag Venedig wollte ich nur mehr raus und nicht wieder kommen. All die Massen in den Sestieri von San Polo und San Marco an einem verlängerten Wochenende, die Mühen des Sichdurchwühlens, das Gedränge auf der Rialto-Brücke, die Atmosphäre eines überdimensionalen Freilichtmuseums, gepaart mit der Hitze, schienen zunächst in keinem Verhältnis zum Gebotenen zu stehen. Aufgrund der klugen Entscheidung, nicht in Venedig, sondern im Bahnhofsviertel von Padua zu wohnen und am zweiten Tag eine Landpartie zu den Eugeneischen Hügeln (s. E) zu unternehmen, konnten wir aber den nötigen Abstand gewinnen, um uns wieder nach Venedig zu wagen. Und, die Bootsfahrt zu den Inseln brachte uns dann ohnehin in eine andere Welt (s. B, I, M und S ). An unserem letzten Tag in der Lagune nahmen wir dann einen Vaporetto und stiegen, einer spontanen Eingebung folgend, nicht an San Marco aus, sondern auf Giudecca. Es war ein Montag und wir hatten das Café an der Mole nahezu für uns alleine, die Sonne lachte und schräg gegenüber, auf der anderen Seite des Kanals, lag der Markusplatz. Spätestens hier wurde klar: Venedig braucht seine Zeit. Vergesst den Tagesausflug und lasst euch bloß nicht hektisch hineintreiben!
V wie Völkerwanderung
Die Zeit der Völkerwanderung gilt vielen als Beginn der Geschichte Venedigs, wenngleich bereits die Etrusker in der Lagune (s. L) siedelten. Jene Zeit jedenfalls brachte ganze Busladungen von Germanen, Hunnen, Slawen nach Italien, woraufhin sich die Küstenbewohner in großer Zahl in die Lagune absetzten, um dort in Ruhe ihre Siedlungen zu errichten und Venedig zu erbauen. Ironisch eigentlich.
W wie Wasser
Wasser ist bekanntlich ein sehr zwiespältiges Element. Auf der einen Seite Leben spendend, auf der anderen bedrohlich. Für Venedig gilt das in besonderem Maße. Für den zeitweilig in Venedig Verweilenden ist vor allem von Bedeutung: in Venedig ist dort Wasser, wo anderswo Straßen sind. Mit dem Auto kommt man bis in die Tiefgarage an der Piazzale Roma und aus. Reist man mit dem Zug an und tritt man vor den Bahnhof Santa Lucia (s. R), so steht man unvermittelt vor dem Canal Grande. Dort, wo man sonst einen Bahnhofsvorplatz oder einen Boulevard erwarten würde, ist ein Wasserweg. Das haut einen ziemlich um und es ist immer wieder schön, das basse Erstaunen in den Gesichtern der neu ankommenden Touristen zu sehen. In weitere Folge heißt es dann: zu Fuß gehen und über viele Brücken hatschen oder einen Vaporetto respektive ein Wassertaxi besteigen. Die Vaporetti sind das öffentliche Verkehrsmittel der Stadt. Diese Boote sind nicht sonderlich bequem und recht voll, aber sie erfüllen ihren Zweck. Mit ihnen erspart man sich die anderswo üblichen, teuren Touristenbusse und kann um ganz Venedig und bis zu den Inseln gondeln. Gondeln, ach ja, die gibt es natürlich auch noch.
X wie in Venexia
Bezeichnung der Stadt Venedig im Venetischen, der im Veneto und angrenzenden Gebieten heimischen Sprache. Diese darf keinesfalls mit jenem toskanischen Dialekt verwechselt werden werden, der als "Italienisch" bekannt wurde und in dem die Stadt "Venezia" heißt. Neben lautlichen Unterschieden wie diesem ist auch die Grammatik keineswegs ident.
Y wie Ypsilon
25. Buchstabe des lateinischen Alphabets, der im Italienischen wie im Deutschen lediglich bei Fremdwörtern und Namen verwendet wird.
Z wie Zovon
Eine Ortschaft am Fuße der Eugeneischen Hügel (s. E), in der Nähe von Vo´. Für alle, die sich fragen, wo Science-Fiction-Autoren ihr Namensgut herbekommen - einfach Atlas aufschlagen und fertig.
2 Kommentare:
Ich verstehe Sie vollkommen. Deshalb habe ich in Venedig im Spätherbst und Winter zu genießen, wenn es nicht wie Sie es "ein großes Open-Air-Museum" genannt.
Zwei Städte von großer Bedeutung und unbeschreiblicher Schönheit.
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