Montag, 21. Juni 2010

In Concert # 20: Bob Dylan, 12.6.2010, Linz

Bob Dylan kann sich ja auch nicht alles aussuchen. Vielleicht, dass er ohne Vorband auftritt, vielleicht, dass er nie im Leben auch nur mehr eine Zeile von "Blowin´in the Wind" anstimmen wird. Aber sicher nicht den Ort, an dem er, wenn ihn sein Tourplan einmal ins oberösterreichische Linz verschlägt, gastiert.

Diese von einer von Kleinanzeigen gesponserten Zeitung gesponserte Halle hat das zauberische Flair einer DDR-deutschen Kulturarena. Man wartet darauf, dass jeden Augenblick der Rostocker Matrosenchor auf der Bühne erscheint und für Margot Honecker "Auferstanden aus Ruinen" intoniert. Diese Konzertlocation gehört schleunigst eingepackt und nach Dnjepropetrowsk oder meinetwegen auch nach Attnang verfrachtet.

Bob Dylan kann das eigentlich egal sein. Er verkörpert sowieso eine eigene Liga. Der Musiker aus Minnesota hat in seiner besten Zeit an einem Nachmittag mehr große Songs verfasst als die Konkurrenz in einem ganzen Musikerleben. Er hat Moden entfacht und gleich wieder mit ihnen gebrochen, er hat Trends losgetreten und sich sodann verächtlich nach ihnen umgeblickt. Er hat sich immer dagegen gewehrt, zu einer Ikone stilisiert zu werden und ist gerade deshalb eine geworden. Er hat sich allem Öffentlichmachen zum Trotz eine geheimnisvolle, mysteriöse Seele bewahrt. Er ist trotz aller Pop-Erfolge und der kultischen Verehrung, die ihm folgende Musikergenerationen zuteil werden ließen, durch alle persönlichen Auf und Abs einem unverrückbaren künstlerischen Ethos treu geblieben.

Und dann steht dieser mittlerweile 69-jährige Herr auf der Bühne und man merkt, dass er vor allem auch eines ist: ein inspirierter, ein leidenschaftlicher Musiker. Dylan und seiner Band sieht und hört man die gut 100 Konzerte, die sie im Jahr spielen, nicht an. Ein starker, druckvoller Sound schallt durch die trostlose Halle. Bob Dylan wirkt agil und guter Dinge. Er eröffnet die Darbietung mit Stücken von seiner bluesigen Seite, die ihn sein ganzes Legendenleben lang begleitet hat und die in den bislang letzten Phasen seines Schaffens einigermaßen dominant wurde. Dann arbeitet er sich zurück in der Zeit und widmet einem seiner zahlreichen Karrierehöhepunkte einen ausgiebigen Schwerpunkt - dem Album "Highway 61 Revisited", seinem epochalen Rock-Meisterwerk. "Like A Rolling Stone" lässt er vernehmen und ebenso "Highway 61 Revisited". Das alles in der verfremdeten und verschlungenen Form, die für ihn typisch ist - unverwechselbar verwechselbar. Auch Songs wie "Ballad of Hollis Brown" und "Forever Young" kommen zu Ehren.

Nachdem die Stimmung in der Halle lange Zeit nicht enthusiasmiert, aber doch sehr wohlwollend ist, kommt es am Ende zu bewegenden Standing Ovations für den Meister. Dann gehen sehr rasch die Lichter an und man wir von den DDR-Ordnern zügig und harsch aus der Halle komplementiert. Ein kalter, wenig stimmungsvoller Abschluss nach einem gut 2- stündigen und damit nicht überlangen Konzert. Aber da kann der bald 70-jährige Künstler nichts dafür, der an diesem Abend unzweifelhaft großen Sport abgeliefert hat.

Mir kamen allerdings Berichte zu Ohren, wonach sich Herr Dylan nach Konzertende durchaus auffällig flott per Limousine aus dem Staube gemacht haben soll. Möglicherweise war ihm die Location doch nicht ganz egal. Vielleicht braucht er aber auch einfach nur seinen Schlaf, um für sein nächstes Konzert gerüstet zu sein.

1 Kommentar:

Sarah hat gesagt…

In der DDR wurde der Text der Hymne "Auferstanden aus Ruinen" nie gesungen, die Hymne wurde fast ausschließlich instrumental gespielt. Der Text (einig deutsches Vaterland...) war den DDR- Chefies dann doch zu.. naja.. offensichlich blödsinnig?

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