Die Planer des Frequency haben einen unterschwelligen Hang zur Gemeinheit. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, dass zwei der sehens- und hörenswertesten Acts des Festivals nahezu zeitgleich angesetzt wurden - Zoot Woman und Melissa Auf der Maur. Zoot Woman, die Band rund um den gefragten Remixer und Produzenten Stuart Price spielt blitzsauberen SynthPop. Der makellose Sound der Londoner kommt auch auf großer Bühne gut zur Geltung. Schnörkellose Eleganz in Ton wie Optik wird hier geboten, souveräne Popentwürfe werden scheinbar mühelos hingeworfen. Nach vier Nummern war für uns aber Schluss und wir gingen Melissa Auf der Maur-Schauen.
Große Pop-Eleganz: Zoot Woman.
Frau Auf der Maur ist anscheinend - so verkündete sie jedenfalls stolz - mit demselben Flugzeug gekommen wie Egon Schieles "Wally". Alles Gute kommt von oben, wie man so schön sagt! Sie brachte darob auch gleich ein Hoch auf die großen österreichischen Maler der vorletzten Jahrhundertwende aus und rockte drauf los. Auch Melissa auf der Maur hat moderne Kulturgeschichte geschrieben, immerhin war die Kanadierin mit Schweizer Großvater Bassistin von Courtney Loves klassischer Seattle-Grunge-Truppe Hole sowie kurzzeitig auch der Smashing Pumpkins. Als Solokünstlerin setzt sie auf kraftvoll-melodiöse Rockmusik, die das Kunststück zustande bringt, eingängig zu sein, aber dennoch nicht banal daher zu kommen.
Dann war eine Helden-Rückkehr angesagt. Die Band Wir sind Helden befindet sich nach längerer Kinderpause wieder auf Tournee. Als ich das letzte Mal Zeuge eines Live-Auftritts der Band Wir sind Helden wurde - es war am Frequency 2006 - freute ich mich über den hervorragenden Blick auf die Bühne. Den verdankte ich dem Umstand, dass nahezu sämtliche Helden-Fans, die vor mir postiert waren, ungefähr eineinhalb Köpfe kleiner waren als ich selbst. 2010 sind die kleinen Fans von damals erwachsen geworden und deutlich gewachsen. Aber erstaunlich loyal sind sie geblieben. Ein regelrechter Anstrum setzte zu Beginn des Gigs auf die "Green Stage" ein - 2006 hatten die Helden noch auf der größeren Bühne, der "Race Stage" aufgespielt. Und die Treue der Fans wurde durchaus belohnt. Die deutschen Electro-Popper mit dem gewissen Gegenkultur-Charme zeigten sich gut gelaunt, schienen zufrieden, wieder mit beiden Beinen auf der Konzertbühne zu stehen. Sie brachten Altbekanntes ebenso wie zwei vergleichsweise ruhige Lieder vom neu erscheinenden Album. Meine Erinnerung an 2006 mag mich trügen, aber mir schienen die Helden deutlich souveräner und livetauglicher als vor vier Jahren. Was auch damit zu tun haben kann, dass sie sich in einer um zwei Personen aufgemotzten Besetzung präsentierten. Ein beinahe schon fulminantes Comeback.
Zurück auf der großen Bühne. Billy Talent zeigten sich hocherfreut, als Opener für die "legendary Toten Hosen" fungieren zu dürfen und waren sich keineswegs zu schade, für diese vorweg das Publikum anzuheizen - auch wenn sie dabei ein wenig zu dick auftrugen. Ich habe ja höchsten Respekt vor dem erstaunlichen Sound, den Billy Talent zusammengebaut haben und der einem vor dem Fernseh- oder Radioempfangsgerät immer wieder beeindruckte Momente einbringt. Live scheinen sie mir aber bestenfalls eine leicht überdurchschnittliche Punkrockband zu sein. Eine, die dabei leider viel mehr darstellen will, als sie ist. Sänger Banjamin Kowalewicz bemüht sich dermaßen, seiner Stimme - auch in den Zwischenansagen - einen harten und grimmigen Tonfall zu verleihen, dass es schon reichlich komisch wirkt. Das Punkposertum der Kanadier wird nach einigen Titeln dann doch eher zur veritablen Spaßbremse.
A propos Spaßbremse. Nichts gegen die unzweifelhaft vorhandenen Qualitäten der deutschen Hip-Hopper Fettes Brot samt (starker) Band sowie ihre ungemein engagierte und mitreissende Bühnenperformance. Aber, manchmal möchte man angesichts des ständigen Geflachses auf der Bühnen dann doch so etwas hinaufrufen wie "Jungs, werdet doch endlich erwachsen!" Mag aber auch sein, dass ich dafür nach zwei Tagen Frequency einfach nicht mehr empfänglich war. Beine, Füße, Kreuz, alles tat weh. Man wird schließlich auch nicht automatisch jünger, nur weil man am Festival eines Jugendsenders herumhängt. Und am zweiten Tag war da kein massiver, abendlicher Hauptact, der mich nochmals aus dem Tal zog.
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