Montag, 23. August 2010

In Concert # 21: Frequency, 19.-21.8.2010, St. Pölten, Teil 1

Das Wetter hätte eigentlich nicht viel besser sein können. Kein Regen, die Sonne schien durchgängig während dreier Tage Frequency. Trotzdem war da eine stete, kühle Brise, die immer wieder für angenehme Linderung in der Hitze sorgte. Ein paar Wolken mehr hätten vielleicht nicht geschadet, aber man soll ja nicht undankbar sein. Vor allem, wenn man sich an die letzten beiden Ausgaben dieses Festivals zurück erinnert.

Ungewohnt war, dass es mehrmals zu völlig unerwarteten Verschiebungen im Zeitplan des Festivals kam. Dies hatte tragische Ursachen: der Black Rebel Motorcycle Club sagte wegen eines familiären Todesfalles ab, bei der britischen Newcomer-Band Ou Est Le Swimming Pool war es gar der Suizid des Sängers, der den geplanten Auftritt am Festival völlig irrelevant machte.

Meine erste musikalische Begegung am diesjährigen Festival am 20.8.2010: Serj Tankian. Der ehemalige Frontmann von System Of A Down war in jener kurzen Zeitspanne, als "New Metal" noch nicht als Schmähwort zu verwenden war, durchaus so etwas wie eine Stil prägende Figur. Am Frequency präsentierte er sich mit adretter Frisur und ganz in Weiß, aber keineswegs wirklich solo, sondern in Begleitung einer Band sowie einer Streicherabteilung des Linzer Bruckner Orchesters, wobei sich letztere über den Auftritt auf der Rockbühne sichtlich amüsierte. Herr Tankian mühte sich redlich in der niederösterreichischen Nachmittagshitze, die Stimme markant wie eh und je. Auch sein politisches Engagement hat er nicht verloren, im Gegenteil, er trägt es eher wie einen Bauchladen vor sich her. So erklärte er uns unter anderem, dass Linkssein toll ist und dass die Rechten wollen, dass die Leute beten und Waffen kaufen. So etwas hat ein bisschen was von Michael Moore und ein bisschen was von Sting auf New Metal und wirkt irgendwie ausgesprochen altbacken.


Durchaus sympathisch, doch nicht wirklich spannend: Serj Tankian am Frequency 2010.

Was Madsen betrifft, gibt es dem nicht allzu viel hinzuzufügen.

Nach Madsen folgte eine Nahrungsaufnahme-Pause am Zeltplatz, dann verhieß ein Blick ins Programheft Großes: Yeasayer sollten um 21:40 auf der kleineren "Green Stage" ran. Leider handelte es sich um einen Druckfehler, denn als ich eingetroffen war, hiess es: "We are Yeasayer from Brooklyn and this is our last song". Wie gemein sich die Geschichte doch manchmal wiederholt. Auch, wenn dieser eine Song das beste ist, das ich auf diesem Festival erlebt habe. We Are Scientist wurden in der Folge trotzig verschmäht, ich begab mich rüber zur anderen, größeren Bühne und zu LCD Soundsystem.

Und wieder wurden Erwartungen nicht ganz erfüllt. James Murphy aka LCD Soundsystem sollte wohl eher im Klub bleiben, dort wo er hergekommen ist und auch hingehört. Auf der großen Festivalbühne wirkte der New Yorker samt Begleitmusikern zumindest an diesem Abend eher deplatziert, bot nicht viel mehr als coole Langatmigkeit, gesanglich-interpretatorische Schwächen inklusive.

Als ich mich somit schon mit einem eher ernüchternden ersten Frequency-Tag abgefunden hatte, kam doch noch alles ganz anders. Die erste richtige Entscheidung hieß Massive Attack (statt Tocotronic), die zweite war es, in den "Wellenbrecher" zu gehen. Dort war es komfortabel gut gefüllt und man war ganz nah dran an der Klangwolke der Soundkünstler aus Bristol. Ich war ja sehr skeptisch, hatte den so genannten Trip-Hop schon für verlebt und gestrig gehalten. Aber das Live-Erlebnis öffnete ein Tor, ein Tor in eine Zeit, als diese Musik so etwas wie eine revolutionäre Kraft gehabt hat, jedenfalls musikalisch, aber vielleicht auch politisch, wenn auch auf eine subtile Art und Weise. Untermauert wurde dies von den LED-Leuchten im Hintergrund, die in rascher Abfolge gesellschaftsrelevante Informationen Preis gaben, weniger direkt als Serj Tankian, aber wesentlich eindringlicher. Dazu eröffnete der volle Livesound den ganzen Facettenreichtum der Massive Attack-Musik, erfreulich oft gekrönt von der fantastischen Stimme von Martina Topley-Bird. Am Ende des langen Tages stellte sich so ein Trip-Hop-induzierter Trancezustand ein, der die schmerzenden Füße vollständig vergessen machte.


Gut: Massive Attack am Frequency 2010.

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