Mittwoch, 13. Februar 2008

Videohitparade # 2, Teil 2

Dies ist die Fortsetzung der gestern angefangenen Videohitparade meiner 5 "peinlichsten" Lieblingssongs..

  • vier

Madonna - La Isla Bonita

Der Titel dieser Madonna-Nummer aus dem Jahr 1987 klingt ein bisschen wie ein süßer Cocktail und genauso ist sie auch. Das Stil- und Klangbewusstsein der zweiten Hälfte der Achtziger Jahre verbindet sich hier mit der populären Musik Mittelamerikas. Die spanische Gitarre klimpert vor sich hin, die Trommeln schlagen einen karibischen Rhythmus und alles fühlt sich irgendwie sehr nach dem sonnigen Traumurlaub an, wie er im Reiseprospekt verheissen ist. Kitschig? Mag sein, aber trotzdem irgendwie entzückend. Popmusik darf manchmal durchaus so sein, nämlich dann, wenn sie derart den Nagel auf den Kopf trifft wie hier. Und einen Ohrwurm gebiert, der gerade noch nicht so knallig ist, dass er unangenehm im Gehör picken bleibt. Alles in allem ein süßes Stück Eskapismus, das die so genannte Queen of Pop da geschaffen hat, nachdem der so genannte King of Pop, Michael Jackson, diesen Track abgelehnt hatte. Dazu passt auch dieses sehr 80er-mäßige (Stichwort: komisch tanzender, bunter Menschenhaufen) und doch stimmige Video, in dem die noch junge Hauptprotagonistin trotz der zeitbedingten Kurzhaarfrisur in einem sehr roten Kleid sehr gute Figur macht (Stichwort Stilikone) und übrigens der junge Benicio del Toro einen Auftritt hat.

Solch einen süßen Eskapismus braucht der Mensch ab und zu wirklich.


  • drei
Scorpions - Wind Of Change

Ende der 80er Jahre war auch die Zeit großer weltpolitischer Umbrüche. Der kommunistische Block geriet ins Wanken und fiel schließlich, gemeinsam mit dem Eisernen Vorhang und der Berliner Mauer, in Trümmer. Sehr zu meiner Freude im Übrigen, denn ich habe für den Kommunismus - eine kurze, wenig reflektierende Phase in der Pubertät einmal abgesehen - nie irgendwelche Sympathien gehabt. Das fing schon in der Kindheit an, als ich bei Olympischen Spielen und anderen großen Sportereignissen immer vor dem Fernseher klebte und die Wettkämpfe verfolgte. Schon beim Einmarsch der Nationen waren mir die Vertreter der Oststaaten da suspekt, wenn sie hinter ihren in aggressivem Rot gehaltenen und mit den nüchtern-strengen Symbolen körperlicher Arbeit verzierten Fahnen in relativer militärischer Strenge und mit finsteren Mienen einmarschierten. Vielleicht übertreibe ich ja jetzt ein bisschen, aber zumindest in meiner Erinnerung haben sie sich auf diese Weise von den restlichen Teilnehmern abgehoben. Dazu kamen dann auch noch die ständigen Gerüchte, die Ostathleten würden zwangsweise mit allerlei illegalen Mitteln manipuliert, um sie zum funktionieren zu bringen (dass auch die Amerikaner bis zur Schädeldecke mit verbotenen Substanzen vollgepumpt waren, das wusste man damals noch nicht). Alles war bei ihnen in strenger, grauer Monotonie gehalten und ich hatte das Gefühl, dass das dahinterstehende politische und gesellschaftliche System dem entsprechen musste: grau, harsch, trübsinnig und gängelnd!

Das war es wohl auch, denn Ende der 80er Jahre schließlich entledigten sich die Menschen des diktatorisch-sozialistischen Korsetts, ein gewisser Gorbatschow machte den Anfang, wohl ohne zu ahnen, wie schnell das nun gehen könnte, und die Menschen in den osteuropäischen Ländern nahmen diesen Impetus dankbar und begierig auf.

Als es dann vollbracht war, war es für mich und viele andere so, als ob Schatten von der Erdkugel genommen worden wären, und zwar der Schatten der feindseligen Abgeschlossenheit eines Teiles der Welt, aber auch der Schatten eines drohenden nuklearen Winters nach einem großen Krieg mit Kernwaffen. Der amerikanische Philosoph Francis Fukuyama postulierte gar das "Ende der Geschichte".

Der Track "Wind Of Change" der an sich sehr mäßig begabten Metal-Popper Scorpions war 1991 der Song der Stunde, er brachte den naiven Optimismus jener Jahre auf den Punkt. Da heißt es unter anderem so schön:

The world closing in
Did you ever think
That we could be so close, like brothers
The future's in the air
I can feel it everywhere
Blowing with the wind of change

und:


The wind of change blows straight
Into the face of time
Like a stormwind that will ring
The freedom bell for peace of mind
Let your balalaika sing
What my guitar wants to say



Naive Zukunftshoffnungen, wie gesagt, aus der Euphorie des Augenblickes heraus entstanden, die böse an den weiteren Verlauf der Zeitgeschichte prallten. Deutschland wurde durch die überhastete Durchführung der Wiedervereinigung in eine wirtschaftliche und soziale Krise gestürzt, in Russland führte der Weg über die postkommunistische Oligarchie wieder zurück in eine sich Großmachtsfantasien hingebende und Drohgebärden setzende autoritäre Herrschaft. Eine neue Bedrohung entstand aus dem Vakuum, das der Kalte Krieg hinterließ, Menschen, die sich immer mehr als Verlierer der Geschichte empfanden und in ihren religiösen Werten von der um sich greifenden "westlichen" Dominanz angegriffen fühlten, die einst Verbündete der Großmächte gewesen waren und sich nun den in ihren Augen dekadenten Westen zum Feindbild erkoren. Dies führte zu 9/11 und dem Wiedererstarken einer populistisch-religiösen Rechten im Iran, was wiederum den Missbrauch dieser neuen Situation durch eine skrupellose Clique an der Spitze Amerikas zur Folge hatte. Einer, der lange mit besagter Clique mitmarschierte, war dabei bezeichnenderweise eben jener Francis Fukuyama, der nach dem Fall des Kommunismus vorlaut das "Ende der Geschichte" verkündet hatte. Nun setzte er sich dafür ein, im Irak und im Krieg gegen den Terror hart durchzugreifen. Fukuyama sah wohl plötzlich seine theoretischen Felle davonschwimmen, wiewohl er mittlerweile wieder entsetzt den Rückwärtsgang eingeschlagen hat. In Südamerika wiederum, dem über Jahrzehnte weidlich ausgenutzten "Hinterhof" der USA, erhoben sich große soziale Bewegungen, die heftig mit dem eben erst gescheiterten Kommunismus zu flirten begannen. In China schließlich konnte sich die alte kommunistische Elite an der Macht halten, in dem sie einfach rechtzeitig daranging, ihre linke Diktatur in eine rechte Wirtschaftsdiktatur umzumodeln. Und Europa? Auch hier stellen wir mit großem Unbehagen fest, dass Machthabende, auf die wir in Wahrheit nicht den geringsten Einfluß haben, munter daran arbeiten, immer mehr in unsere Freiheit einzugreifen.

Wie sagte die von den Neokonservativen gesteuerte Marionette von einem US-Präsidenten einmal in einem jener Augenblick völlig unfreiwilliger Weisheit und/oder Witzigkeit: "I believe we are on an irreversible trend towards more freedom and democracy, but that could change!"

Der "Wind of Change" weht, aber wir wissen nicht so genau wohin. Immerhin, jedesmal wenn ich dieses, musikalisch zweifellos durchaus fragwürdige, Lied höre, kommt ein Moment jener damaligen Hoffnung als Erinnerungsfetzen zurück. Und die Hoffnung, die stirbt ja bekanntlich zuletzt.


Das nächste Mal geht es dann mit den wirklich, wirklich argen Nummern eins und zwei weiter und zu Ende..

4 Kommentare:

Mark Valerius hat gesagt…

Du bist ja philosophisch. Ich stehe einfach dazu, dass ich sowieso einen, für Intellektuelle mit Massenintellektuellemgeschmack, schlechten Musikgeschmack habe. Und zu meinen 'guilty pleasures'... tja, dazu steht man(n) und legt den Soundtrack zu HARRY UND SALLY ein ;)

Ein Winzer hat gesagt…

Jaja..Aber, dass deine Lieblingsband gestern den "Bundesvision Song Contest" gewonnen hat, das sollte dir schon zu denken geben, oder?? ;)

Mark Valerius hat gesagt…

Ist aber deutlich bedenklicher, dass du sowas weißt und ich erst nachschauen musste, was der Bundessongcontest überhaupt ist ;)

Ich geh' jetzt Jennifer Rush hören. Und nein, ich fühle mich nicht schuldig deswegen.

Ein Winzer hat gesagt…

Naja, wenn man einen Fernseher besitzt und den auch ab und zu aufdreht, kommt man solchen Dingen nicht so leicht aus - vor allem, wenn man, so wie ich, eine sonderbare Affinität zu Live-Wettbewerben jeglicher Art hat..

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