Josef Pröll spricht sich in der Tageszeitung "Die Presse" dafür aus, über die Einführung eines "echten" Mehrheitswahlrechtes (d.h. dem angelsächsischen Vorbild folgend je ein persönlich gewählter Mandatar pro Wahlkreis nach dem Prinzip "the winner takes it all" ) nachzudenken. Derartige Überlegungen scheinen auf den ersten Blick duchaus legitim, wenn man sich die von Gezänk, Obstruktion und gegenseitigem Misstrauen geprägte Realität der derzeitigen Koalitionsregierung ansieht. Prölls Intervention kommt aber zu einem auffallend schlechten Zeitpunkt.
Der Volkspartei, das ist jene Partei, als deren zukünftiger Leader Umweltminister Pröll bekanntlich gehandelt wird, fliegt derzeit die vom ehemaligen BKA-Chef Haidinger gezündete Polit-Bombe um die Ohren. Dieser und sein Mitarbeiter Schneider zeichneten zuletzt das Bild einer Regierungspartei ÖVP, die sich der im Innenministerium angesiedelten Ermittlungsbehörden rechtswidrig als einer Art Partei-Geheimdienst bedient, um einerseits belastende Material gegen politischen Gegner zu sammeln und anererseits die eigene Weste rein zu halten. Diese Enthüllungen werfen ein überaus schlechtes Licht auf den Umgang dieser österreichischen Großpartei mit der Macht. Und ausgerechnet ein führender Repräsentant dieser öVP fordert nun also ein Wahlsystem, dass es ihr einmal ermöglichen könnte, in alleiniger Machtfülle zu regieren und dass die im politischen System Österreichs etablierten kleineren Oppositionsparteien an den Rande der Vernichtung bringen würde? Keine gute Optik, fürwahr.
Das Mehrheitswahlrecht mag durchaus seine Vorzüge haben, so ermöglicht es in der Regel klare(re) Mehrheiten und macht Zeit und Energien frei, die sonst bei mühsamen Verhandlungsrunden zwischen ideologisch unterschiedlich ausgerichteten und stets um die Schärfung ihres eigenen Profiles bemühten Partnern/Gegnern gebunden werden. Es ermöglicht weiters das konsequente Umsetzen neuer Konzepte, ohne dass diese bei der Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner verwässert werden. Das Mehrheitswahlrecht nach angelsächsischem Vorbild, wie von Pröll vorgeschlagen, hat aber auch einen ganz wesentlichen Nachteil: es ist bedeutend weniger demokratisch als ein Verhältniswahlrecht, weil es den Wähler oder die Wählerin meist de facto nur mehr vor die Alternative stellt, für einen oder eine der (beiden) aussichtsreichen KandidatInnen zu stimmen, weil die eigene Stimme andernfalls wertlos wird und in dem Falle der Stimmabgabe für einen "Dritten" letztlich nur der oder die weniger gewünscht(e) KandidatIn profitiert. Auf diese Weise werden aber Minderheitenpositionen systematisch ausgeschaltet. Selbst andere Varianten des Mehrheitswahlrechtes bzw. des gemischten Mehrheits- und Verhältniswahlrechtes, wie jene von mir persönlich für äußerst charmant befundene, wonach die stärkste Partei gerade so viele Mandate erhält, dass sie sich unter den anderen im Parlament (nach Verhältniswahl) vertretenen Parteien einen beliebigen Koalitionspartner aussuchen kann, setzten aber nun zumindest eines voraus: eine gewisse politische Kultur und einen verantwortungsvollen Umgang mit der Macht.
Es ist sehr fraglich, ob das in Österreich gegeben ist, wo die politischen Akteure (und hier sind jetzt ausnahmslos Vertreter aller Couleurs gemeint) traditionell mehr Energie in das Eintunken und Schlechtmachen des Gegners investieren als in den Wettbewerb der Ideen oder in sachliches Argumentieren.
Sollte es aber tatsächlich eines Tages zur Einführung eines Mehrheitswahlrechtes kommen, so müsste zumindest eines auf jeden Fall passieren: eine spürbare Stärkung der Rechte der parlamentarischen Opposition. So müsste etwa für die Minderheit im Nationalrat die Möglichkeit geschaffen werden, jedes Jahr eine bestimmte Zahl von Untersuchungsausschüssen in Gang setzen zu können, ohne das dies von der mit der Regierung verbandelten Parlamentsmehrheit niedergestimmt werden kann.
Es wäre interessant zu wissen, ob sich die Pröll-ÖVP dafür dann auch begeistern könnte.
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