2005 fuhr ich nach Shanghai. Der Grund war Neugierde und die ideale Gelegenheit, die sich darbot, als J. ihren dort arbeitenden Bruder M. besuchen wollte und ich der auserwählte Reisepartner war. Das Tagebuch dieser Reise kann man jetzt auf diesem Blog nachlesen.
9.8.2005
Das war gestern. Ich habe mir eine neue Kamera gekauft, um 3650 RMB auf der Nanjing Lu. Wir haben auch gleich eifrig damit in der Gegend herumgeschossen. So haben wir etwa den Jadebuddha-Tempel fotografiert. Diese buddhistische Stätte bietet (wie der Name schon sagt) eine Buddhafigur aus (purer?) Jade, welche durch wundersame Umstände die Kulturrevolution überstanden hat (wahrscheinlich ist er der Partei beigetreten). Außerdem gibt es dort ein teures Restaurant, in dem buddhistische Fastenspeisen kredenzt werden, teure Getränkeautomaten und einen riesigen, teuren Souvenirshop mit Atem beraubend kitschigem Tand, unter anderem ein weiterer großer Buddha - aus Jade oder aus weißem Kunststoff? - um stolze 80.000 RMB. J. sagt, dass ihr die ewige Geschäftemacherei hier auf die Nerven geht. Und da das von ihr kommt, heißt das schon was. Dann möchte sie aber doch einen "kleinen buddhistischen Mönch" käuflich erwerben und mit nach Hause nehmen. Noch zu erwähnen ist die Gruppe von derlei niedlichen Klerikern, die im Hof des Tempels eine zünftige Beatmusi veranstaltet.
Dann ein schönes Erlebnis auf dem Rückweg vom Tempel: hier in China gibt es Vanilla Coke in 0,5l-Flaschen und ich genehmige mir ein solches.
Wir essen im "Grape", einem Lokal, das sich in einer ehemaligen russisch-orthodoxen Kirche befindet. Und das recht gut. Nach dem Abendessen gehts endlich auf den Jinmao Tower. Das vierthöchste Bauwerk der Erde (nach dem 101 in Taipeh [ein Stachel im Fleisch der Volksrepublik], dem Petronas Tower in Kuala Lumpur und dem Sears Tower in Chicago) ist in der (aufgrund der für ganz China verbindlichen Beijinger Zeitrechnung) früh hereinbrechenden Nacht hell erleuchtet und ein eindrucksvoller Anblick. Noch stärker der Eindruck, den man hat, wenn man dann oben steht: Shanghai bei Nacht, ein gigantisches Lichtermeer. Die Fahrt mit dem Lift hinunter beinhaltet einen jener skurrilen Momente, für die China immer wieder gut ist. Ich stehe in der Mitte des Raumes eingeklemmt zwischen lauter Chinesen, die mich neugierig mustern und komme mir fast ein bisschen vor wie der Jinmao zwischen all den anderen Hochhäusern von Shanghai-Pudong.
Aber auch auf der Rückfahrt mit der U-Bahn gibts nochmal was Skurriles. J. will nach dem langen Tagwerk unbedingt einen Sitzplatz. Sie stürmt in das Abteil, fliegt förmlich zur Bank, wie es scheint. Aber da sind ja auch noch die Chinesen. Mit einem unfassbaren Tempo, das wohl noch knapp unter Schallgeschwindigkeit liegt, denn es geschieht fast lautlos, ohne großen Knall, sichern sich chinesische Rentner, Geschäftsleute und Studenten die Sitzplätze. Ein Pensionisten-Ehepaar, das sich unmittelbar vor der heranlaufenden J. scheinbar aus dem Nichts heraus materialisiert hat, amüsiert sich noch die halbe U-Bahn-Fahrt lang köstlich über unsere verdatterten Gesichter.
Ach ja: Wir waren auch erstmals in einem CD-Laden. Ich habe das Paradies gesehen. CDs um 1-2 Euro das Stück. Irgendwer sollte mich vielleicht festbinden.
A propos "festbinden". Auf dem Weg in die Stadt hat uns eine Gruppe chinesischer Kunststudentinnen aufgelauert und in ihre Verkaufsräumlichkeiten verschleppt. Aus irgendwelchen Gründen bin ich ihnen - im Gegensatz zum sinisteren Antiquitätenhändler vor einigen Tagen - gefolgt. Und habe zwei Kalligraphien erworben, die ich bei mir zu Hause an die Wand zu hängen gedenke. Als die KS allerdings dann private Dinge wissen wollten und mich gefragt haben, ob ich denn in Österreich eine Freundin hätte, hab ich mich dann doch aus dem Staub gemacht.
Buddhistische Jam-Session im Jadebuddha-Tempel
Wächter des Tempels.
Shiny!
Abendlicher Blick vom Jinmao.
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