Derzeit ist der Posthof in Linz von den Legionen des großen Linz 09-Kulturfeldzuges besetzt. Das Programm wird daher teilweise von lettischen Folk-Metal-Bands, bulgarischen Gypsy-Groove-Combos und slowenischen Gothic-Rock-Acts dominiert. Dazu kommen noch Stammgäste wie das "Black Humour Festival" oder die "Tanztage" und schon wird der Kalender eng für die restliche Musikwelt. Nun ist gegen lettischen Folk-Metal oder Gypsy-Groove aus Bulgarien natürlich grundsätzlich überhaupt nichts einwenden. Allerdings muss man erst einmal Menschen finden, die sich mit einem auf ein derartiges Abenteuer einlassen und auch selbst ertappt man sich dabei, wie man ein bisschen verzweifelt nach Namen Ausschau hält, die einem bekannt vorkommen und das wohlige Gefühl der Vorfreude induzieren.
Da ist man dann froh, dass es auch noch die Spinnerei in Traun gibt. Diese durchaus traditionsreiche Location habe ich bisher ein bisschen links liegen gelassen. Genau genommen war ich am Samstag das erste Mal da. Aber sicher nicht das letzte Mal. Denn das Veranstaltungslokal in der - charmant ausgedrückt - eher spröden Linzer Vorstadt verfügt über die sympathische Atmosphäre eines in einer popkulturellen Einöde von Gleichgesinnten liebevoll zusammengebauten Raumes, über freundliche Menschen an der Bar und offensichtlich auch über einen sattelfesten Musikgeschmack.
An besagtem Samstag waren das Stimmgewitter Augustin und Kreisky lebende und tönende Zeugnisse dieses Genius Loci.
Zuerst entlud sich das "Stimmgewitter", der "Clochard-Klangkörper" gab seinen "Hardcore-Schmalz" zum Besten. Dabei changierte das Dargebotene zwischen zündendem arbeiterpolitischen Liedgut und leidenschaftlichem Schlager. Gemein war allen Nummern aber die solide elektronische Fassung, die ihnen namhafte Vertreter der österreichischen Musikerzunft gezimmert hatten, die chorische Form, sowie die mitreissende Inbrust der Darbietungen. Das Stimmgewitter Augustin geriet bei allem Pathos dabei aber nie zu kitschiger Sozialromantik. Es blieb authentischer Eindruck einer ungeschliffenen Musikalität, die sich in leidenschaftlicher Hingabe entfalten darf. Das ist ungemein ansteckend, eine bessere Vorgruppe kann man sich kaum wünschen. Auch in der mit vielleicht achtzig, neunzig Anwesenden doch eher schütter gefüllten Spinnerei sprang der Funke erstaunlich rasch über. Dies führte zu dem völlig absurden Ergebnis, dass mich diese Band dazu brachte, an einem einzigen Abend zwei Dinge zu tun, die zuvor ernsthafte Anwärter darauf gewesen wären, unter den zehn Dingen aufzuscheinen, die mir im Leben zu allerletzt einfallen würden: eine Polonaise nicht zu verweigern und bei einem Toten Hosen-Song mitzusingen. Aber das Stimmgewitter Augustin ist dermaßen liebenswürdig und nachdrücklich zugleich, dass man ihm einfach nichts abschlagen kann. Insbesondere, wenn sie mit der Spinnerei und dessen Publikum in Interaktion treten.
Ein Stimmgewitter zieht vorbei..
"Liebenswürdig" ist vielleicht nicht das erste Adjektiv, das man gebrauchen würde, um die Band Kreisky zu beschreiben. Nachdrücklich sind sie aber auf alle Fälle (also eigentlich ganz ähnlich dem berühmten Namensgeber, wenn dieser etwas fragwürdige politische Sidestep gestattet ist). Die vier Herren rund um den Sänger Franz Adrian Wenzl (der breiteren Bevölkerung eher unter seinem anderen Künstler-Ich ein Begriff) stehen für wuchtigen Indie Rock in einem weiten Feld zwischen Noise, Punk, Rock´n´Roll, Blues, einer Prise wienerischem Falco-Pathos und Deutschrock-Elementen. Die zentrale Achse ist der Sänger, ein wirklich außergewöhnlicher Performer, getragen von der Rhythmus-Sektion und dem auf Augenhöhe mit Wenzl agierenden Gitarristen. Kreisky lieferten an jenem Abend hochkonzentrierte Arbeit ab, da war eine Entschlossenheit zu spüren, die wirklich Respekt abnötigte (genauso wie die Rahmenbedingungen in der österreichischen Indie-Rock-Provinz, übrigens, der Backstageraum der Spinnerei zB entpuppte sich als eine eisige Garage..). Die Grundstimmung der Kreisky-Musik und der Kreisky-Texte ist von einer düsteren, zuweilen zutiefst verstörten und paranoiden Sorte. Fundamentale Stimmungswechsel darf man nicht erwarten, hier schleicht sich manchmal - bei aller Vielgestaltigkeit der dargebotenen Rockspielarten - eine gewisse Eintönigkeit ins Schaffen der Wiener Band. Der Kanzler grantelt, schimpft und klagt. Aber er tut das auf internationalem Indie-Rock-Niveau. Man darf gespannt sein, wie sich diese Truppe weiterhin schlägt.
Bassist (neu), Wenzl, Gitarrist.
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