Freitag, 24. April 2009

In Concert # 8 : Donaufestival Krems, 22.4.2009, Teil 1

Das Kremser Donaufestival hat sich den Ruf erworben, unter den in rot-weiß-roten Landen veranstalteten Festivals so etwas wie der maßgebliche Treffpunkt in Sachen anspruchsvoller, relevanter und avantgardistischer Populärmusik zu sein.

Dieses Jahr startete die Reihe von Konzerten am 22.4. Wir waren an jenem ersten Tag dabei und mit der Erwartung angereist, etwas Besonderes erleben zu dürfen. Und diese Erwartung wurde durchaus nicht enttäuscht.

Schon der erste Veranstaltungsort, den wir anvisiert hatten, war etwas Spezielles. Die Minoritenkirche in Stein ist schon bekannt dafür, außergewöhnliche Konzerterlebnisse hervorzubringen. Die Basilika, ein spätromanisches Bauwerk, das später mit einem gotischen Langchor und einem gotischen Turm mit letztlich barocker Bekrönung ausgestattet wurde, bietet einen imposanten, archaischen Klangraum, der nun modernen Klängen offen steht.



Für die Klänge verantwortlich waren in unserem Fall Mirror/Dash. "Mirror" heißt mit bürgerlichem Namen Thurston Moore und wurde schon mal vom "Rolling Stone" zum 33igst besten Gitarristen aller Zeiten gewählt. "Dash" ist seine Ehefrau Kim Gordon. Die beiden sind hauptberuflich bei einer musikhistorisch nicht ganz unbedeutenden Band namens "Sonic Youth" tätig. Als Mirror/Dash zerlegen die beiden das Schallspektrum in verschiedenste Bestandteile und setzen diese dann wieder zu einem schwebend-dröhnenden Ganzen zusammen. Die Übergänge zwischen Klang und Geräusch verschwimmen dabei. Kim Gordon benutzt zeitweilig eine Gitarre, die erstaunlicherweise mit einer Handkurbel betrieben wird und schwenkt auch schon mal ihr Instrument in Richtung Verstärker, um duch diese Meta-Verstärkung verzerrten Krach zu erzeugen. Thurston Moore wiederum bedient sich meist eines Gerätes, das wie eine obskure Kreuzung aus einer E-Gitarre und einem elektronischen Hackbrett (falls es sowas gibt) daherkommt.

Die spannende Frage lautet nun: Sind das nun schlicht gelangweilte Rockstars bei Herumalbern oder ist das künstlerisch wertvolle Weiterentwicklung der Protagonisten? Es ist ein bisschen etwas von beidem. Mirror/Dash legen durchaus furios los. Langsam baut sich ein Spannungsgebilde auf, man wird fremdartiger und faszinierender Laute gewahr, die Akustik der alten Kirche tut ein übriges. Manchmal geht das allerdings auch an persönliche Schmerzgrenzen, etwa wenn Moore plötzlich damit anfängt, Geräusche zu erzeugen, die so klingen, als würde jemand mit einem rostigen Nagel über Glasscherben schleifen. Letztlich ist es aber doch über weite Strecken ein erfüllendes Erlebnis bis, ja bis nach etwa zwei Drittel der Performance die neuen Impulse absterben und sich Mirror/Dash zu wiederholen beginnen. Da wird die Geschichte nach meinem Empfinden dann etwas mühsam und der Reiz der Angelegenheit sackt in sich zusammen. Mirror/Dash verfangen sich in ihren eigenen lärmigen Wiederholungen und finden zu keinem befriedigenden Abschluss.

Zu allem Überfluß wird dann auch noch eine Zugabe gegeben (bei dieser Art von Musik eigentlich ein Unding), bei der am Ende halblustig auf den Instrumenten herumgedroschen wird. Die Generation Ironie im Publikum johlt daraufhin begeistert, aber bei mir bleibt doch eher das hohle Gefühl zurück, dass hier etwas im Ansatz durchaus Großes mutwillig zerstört worden ist. Aber vielleicht ist das ja die notwendige Absicht einer wahren Avantgarde.



Nach Mirror/Dash gehen wir Abendessen und nach dem Essen folgt Fennesz. Fennesz ist ein szeneintern weltweit anerkannter Elektroniker aus Wien, der auf Gitarrensounds aufbauend mit seinem Apple-Rechner recht majestätisch anmutende Klangwände produziert. Dabei kommt er eigentlich praktisch ohne jene Elemente aus, die man so gemeinhin mit Musik in Verbindung bringt - Rhythmik und Melodie. Das Ergebnis ist dennoch musikalisch geglückt. Die Ambient-artigen Soundwälle von Fennesz erscheinen nach einiger Zeit wie eine greifbare Realität, die sich im Raum ausbreitet. Assoziationen zu gleichmäßig vor sich hinsurrenden Schaltkreisen steigen auf, man fühlt sich wie in den Rechner des Künstlers selbst hineingebettet. Das ist Musik, die zweifellos live unter entsprechenden akustischen Rahmenbedingungen ihre ganze Kraft entfaltet. Die Halle 2 am Kremser Messegelände ist dem durchaus gerecht geworden.



Teil 2 mit dem Festival-Auftritt von Sonic Youth folgt demnächst.

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