Samstag, 13. Juni 2009

Europa der Nationalisten

Meine erste Reaktion nach den österreichischen Europawahlergebnissen am Sonntag: Erleichterung!

Nicht, dass es nicht durchaus erschreckend wäre, wie das Zeitung konsumierende Volk eine Single-Issue-Ein-Mann-Partei einfach so schluckt, ohne mit der Wimper zu zucken. Da offenbart sich die ganze Macht des dahinter stehenden Mediums - die es ja im Grunde genommen, das wurde eindrucksvoll bewiesen, ziemlich willkürlich einsetzen kann.

Nicht, dass es nicht ernüchternd wäre, mitanzusehen, wie jene, die jahrelang vehement eine (wirtschaftsliberale) Politik verfochten haben, deren stärkste Ausprägungen den Wirtschaftsplaneten mittlerweile in den Abgrund gestossen haben, in der Wählergunst voranliegen. Demokratie als Feedbackmechanismus funktioniert halt nur, wenn die Leute mit dem Verstand wählen und nicht mit dem Bauchgefühl.

Nicht, dass es nicht unerfreulich wäre, beobachten zu müssen, wie mündige Wähler aus Opposition zu einem völlig inakzeptablen Spitzenkandidaten seiner Liste die Stimme geben.

Aber, das alles waren Umstände, die erst beim zweiten Blick unangenehm auffielen. Zunächst einmal war da die angesprochene Erleichterung, dass die extreme Rechte nach einem Wahlkampf, in dem wieder einmal alle moralischen Standards locker unterboten worden waren, unter den Erwartungen abgeschnitten hatte.

Aber auch hier muss man ein zweites Mal hinschauen. So erfreulich das angesichts der Ausgangsbedingungen mäßige Ergebnis für Blau und Orange auch ist, Österreich ist dennoch jenes Land in der EU, in dem die extreme Rechte den höchsten Stimmenanteil erreicht hat.

Ein Blick auf die Vergleichswerte rechtspopulistischer, rechtsextremer und rechtsradikaler Parteien bei den EU-Wahlen (Quellen: Netz-gegen-Nazis.de, Wikipedia und www.wahlen2009-ergebnisse.eu):


1. Österreich 17,8% (FPÖ 13,1%, BZÖ 4,7%)
2. Niederlande 17,1% (Partij voor de Vrijheid)
3. Dänemark 14,8% (Dansk Folkeparti)
4. Ungarn 14,7% (Jobbik)
5. Belgien 14,6% (Vlaams Belang 10,1%, Front National 4,5%)
Slowakei 14,6% (HZD 9,0%, SNS 5,6%)
7. Finnland 12,4% ("Wahre Finnen")
8. Bulgarien 12,1% (Ataka)
9. Italien* 10,3% (Lega Nord 10,2%, Fiamma Tricolore-La Destra 0,1%)
10.Rumänien 8,6% (Grossrumänien-Partei 8,6%)
11.UK 8,3% (British National Party)
12.Lettland 7,5% ("Für Vaterland und Freiheit")
13.Griechenland 7,1% (Orthodoxe Volksbewegung)
14.Frankreich 6,3% (Front National)
15.Schweden 3,3% ("Schwedendemokraten")
16.Slowenien 2,9% (SNS)
17.Deutschland 1,7% (Republikaner 1,3%, Deutsche Volksunion 0,4%)
18.Polen 1,4% (Libertas Polska mit der Liga d. Polnischen Familien)

Keine nennenswerten Parteien der extremen Rechten in Estland, Irland, Litauen, Luxemburg, Malta, Portugal, Spanien, Tschechien und Zypern.

Natürlich sind die genannten Parteien in ihrer Ausprägung unterschiedlich radikal. Und umgekehrt finden sich natürlich auch in vielen "staatstragenden" Parteien starke rechtspopulistische Strömungen. Leider kann man aber auch nicht sagen, dass FPÖ und BZÖ im Vergleich zu anderen "Rechtsauslegern" als besonders gemäßigt auffallen. *Was Italien betrifft, muss man jedenfalls ergänzen, dass viele Rechtspopulisten und auch Rechtsextremisten in Silvio Berlusconis heterogener Sammlungsbewegung "Popolo della Libertá" integriert wurden.

3 Kommentare:

Julien (Euroblogger) hat gesagt…

Guter Artikel, vor allem sehr guter Ton!

Ein Winzer hat gesagt…

Merci!

Mark Valerius hat gesagt…

Den Strasser habe ich mal interviewt. Der ist wirklich so...

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