Freitag, 19. Juni 2009

"Heute"-Blog # 3

Wieder ein kleines Anschauungsbeispiel, wie die Schlagzeilenschinderei in der Randstein-Presse funktioniert:




Keine Frage, es wird eine spürbare Zunahme bei bestimmten Straftaten feststellbar sein, das ist in Zeiten wirtschaftlicher und sozialer Krisen nicht zu vermeiden.

Aber, jede(r) Zweite als Opfer einer Straftat, das ist schon mehr als erschreckend!

Heißt das jetzt also, dass meiner Oma gerade in diesem Augenblick die Handtasche geraubt wird, dass sich Autoknacker gerade am Wagen meines Chefs vergreifen und dass sich zeitgleich ein Amok laufender Nachbar durch die Hecke meiner Eltern fräst?

Immerhin haben wir es hier mit einem wahrlich "alarmierenden Befund" ("Heute") zu tun!

Ein Blick ins Blattinnere legt die Grundlagen des alarmierenen Befundes offen:


"Eine Studie des Linzer Instituts IMAS belegt, wie schwer Menschen hierzulande tatsächlich von Verbrechen [sic!] betroffen sind. 46 Prozent aller Bürger waren schon selbst Opfer einer Straftat."


46 Prozent der Befragten waren demnach in ihrem Leben schon einmal Opfer einer Straftat (nicht eines Verbrechens) !

Ich gehöre übrigens selbst dazu. Mir wurde schon zweimal die Geldbörse entwendet (denke ich zumindest). Mir wäre also auch nichts anderes übrig geblieben, als mich bei dieser IMAS-Umfrage zu den Kriminalitätsopfern zu zählen.

Die konkrete Fragestellung des IMAS-Institutes lautete übrigens lapidar:


"Hier stehen verschiedene Arten von Straftaten. Könnten Sie mir sagen, ob sie selbst schon einmal Opfer einer solchen Straftat geworden sind? Bitte nennen Sie einfach die entsprechenden Nummern."


Die Meinungsforscher haben sich also nicht einmal die Mühe gemacht, ihre Fragestellung auf Österreich zu beschränken. Auch der Großvater, den tschechische Nationalisten aus dem Sudetenland vertrieben haben oder der Wiener, dem in Caorle das Börsl gezogen wurde, fallen demnach unter die 46%..

Ein genauerer Blick in die Studie zeigt übrigens, dass 27% der Nennungen auf diverse minderschwere Diebstahlsdelikte entfallen, davon ganze 12% auf Fahrrad-Diebstahl und 6 % auf Handy-Diebstahl. 13% sind Sachbeschädigungen, satte 12% fallen unter "Anpöbelung, Beleidigung in der Öffentlichkeit". Verleumdung und Rufschädigung wird von 7% genannt, ebenfalls 7% sahen sich schon als Opfer eines "Betruges" (wer jemals in einem rechtsberatenden Bereich gearbeitet hat, weiss, dass ungefähr jeder dritte säumige Schuldner der Meinung ist, er wird von seiner Telefongesellschaft "betrogen"). Von wirklich schweren Delikten (also "Verbrechen") war von den UmfrageteilnehmerInnen im gesamten Leben und auf der ganzen Welt nur eine klare Minderheit betroffen (Einbruchsdiebstahl - hier gibt es bekanntlich immer gleich mehrere Betroffene auf einmal - 5%, Autodiebstahl 1%, Raub 1%, Körperverletzung - völlig unterschiedslos in sämtlichen Schattierungen erhoben und damit ohne jegliche Aussagekraft - 6%)).

Die genannten Prozentsätze ergeben im übrigen keine 46%, da Mehrfachnennungen selbstverständlich möglich waren. 54% der befragten Österreicherinnen und Österreicher geben jedenfalls an, noch nie Opfer einer Straftat gewesen zu sein.

Das alles freilich ficht "Heute" nicht an, eine apokalyptische Schlagzeile zu zimmern. Die Detailinformationen werden einem daher auch gleich vorenthalten. Dafür kennt "Heute" zwei andere Zahlen aus der IMAS-Studie: 77 % der Befragten geben an, dass die Kriminalität in den letzten zehn Jahren in Österreich zugenommen hat. Und von diesen 77% sind 63 % der Meinung, dass an der steigenden Verbrechensrate die Zuwanderung schuld ist (im Großdruck hinzugefügt: "FPÖ fordert: Täter viel härter bestrafen!").

Das wiederum verwundert angesichts solcher Schlagzeilentäter nicht.

3 Kommentare:

Mark Valerius hat gesagt…

Hetze, Hetze, Hetze. Ich habe den Klopapierfetzen nicht gesehen, aber ich traue mich Geld verwetten, dass irgend wo ein Zusammenhang entweder mit der pöhsen EU oder den pöhsen Ausländern generell hergestellt wird. Ein Zweispalter über die Grenzöffnung? Ein Einspalter über die Asylrichtlinie?

Ein Winzer hat gesagt…

Z.B. Seite 4: "Faymann für schärfere Kontrollen an den Grenzen", mit Hinweis darauf, dass laut IMAS-Studie bereits "jeder zweite Österreicher" Verbrechensopfer ist.

Caorle Hotels hat gesagt…

Sie haben eine wunderbare Arbeit geleistet, diese interessante Statistiken.

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